Flüchtling ist kein Beruf
Bundesländer wollen Aufenthaltsgenehmigungen für junge Asylbewerber in Ausbildung
Eine Regelung zur Aufenthaltssicherung während der Ausbildung gibt es für Flüchtlinge nicht. Das verunsichert Betriebe und schreckt sie ab. Die Politik ist gefordert. Derzeit disktuiert der Bundestag über einen Gesetzesentwurf.
Von Dirk Baas Mittwoch, 27.05.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 28.05.2015, 16:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wie viele es sind, weiß keiner ganz genau. Schätzungen gehen von mehreren Tausend aus: Junge Flüchtlinge, die hierzulande nur geduldet sind. Sie können weder ein Praktikum machen noch eine Lehre beginnen, denn dafür fehlt ihnen die Aufenthaltsgenehmigung. Zugleich suchen Firmen nicht nur im Handwerk oft händeringend nach Auszubildenden. Eine paradoxe Situation, die die Bundesländer hinter sich lassen wollen.
Mit der vertrackten Lage der jungen Migranten kennt sich ein Bonner Verein aus, dessen Name Programm ist: „Ausbildung statt Abschiebung“ (AsA). 2001 gegründet, ist AsA Anlaufstelle für Flüchtlinge im Alter bis zu 27 Jahren, die soziale Beratung brauchen, Sprachkurse machen wollen oder aber einen Ausbildungsplatz suchen.
Das Problem: „Eine allgemeine Regelung zur Aufenthaltssicherung während der Ausbildung gibt es nicht“, sagt Carmen Martinez Valdés, die Geschäftsstellenleiterin des Vereins: „Betriebe wollen aber die Garantie, dass der junge Mensch zumindest die drei Jahre der Ausbildung noch in Deutschland ist.“ Dieser unklare Status „verunsichert oder schreckt Arbeitgeber ab und frustriert die Jugendlichen zusätzlich“, ergänzt Vorsitzende Karin Ahrens.
AsA bietet neben der Berufsorientierung vor allem individuellen Förderunterricht an, den 70 ehrenamtliche Lehrer geben. Sie sind Lernpaten, Jobpaten und Betreuer der Flüchtlinge im Alltag. Dazu kommen Bewerbungstrainings und die Vermittlung von Praktika. Derzeit betreut der Verein mit 21 Azubis so viele wie noch nie zuvor. Und der Bedarf an Unterstützung werde mit steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland weiter zunehmen, heißt es.
Sollten die Betroffenen während ihrer Lehre eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, müsste auch die Finanzierung von Betreuungsangeboten, wie sie der Verein bietet, geändert werden. Laut Martinez Valdéz ist der Zugang zu staatlichen Geldern nach den gesetzlichen Bestimmungen für Geduldete aktuell nicht möglich: „Das schließt auch die Träger aus der Förderung aus, die mit dieser Zielgruppe arbeiten.“
Der Bundesrat hat sich im Februar dafür ausgesprochen, heranwachsenden Flüchtlingen während ihrer Lehre den Aufenthalt zu erlauben. Damit rennen sie in der Wirtschaft offene Türen ein. Denn: In Deutschland leben derzeit mehr als 100.000 Geduldete, die aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden dürfen. Auch für sie sollte aus der Sicht der Unternehmen die Tür zum Arbeitsmarkt geöffnet werden.
„Jungen Menschen aus Kriegsgebieten muss ein Bleiberecht für die Dauer der Berufsausbildung eingeräumt werden. Unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens“, sagt Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Bereits heute blieben 20.000 Lehrstellen unbesetzt: „Die Maxime muss lauten: Drei Jahre Ausbildung mit Anschlussbeschäftigung“, fordert Wollseifer: „Flüchtling ist kein Beruf.“
Das sieht auch Michael Hüther so. Es gebe „keinen Grund, auf diese Nachwuchskräfte, in die wir investiert haben, zu verzichten“, sagt der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Dafür sollte man einen humanitären Ausbildungstitel einführen. Und wer erfolgreich seine Ausbildung absolviert hat, sollte hierbleiben dürfen.
In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) die Forderung der Länder begründet. Von den 2013 in Deutschland angekommenen 130.000 Flüchtlingen seien „ungefähr 55.000“ im Alter zwischen 16 und 35 Jahren: „Genau diese Altersgruppe stellt ein erhebliches Potenzial für eine Ausbildung in Deutschland dar und ist daher hochinteressant für die Wirtschaft.“
Innenminister Thomas de Maizière überzeugen diese Argumente nicht. Sein Sprecher sagte dem Evangelischen Pressedienst, für ihn sei es weiterhin ein zentraler Punkt, zwischen Menschen zu unterscheiden, die schutzbedürftig seien, und solchen, für die dies nicht gelte. Aber: „Über Ausnahmen für jugendliche Geduldete kann man reden, um ihnen den Abschluss einer Ausbildung zu ermöglichen.“ Das tut auch der Bundestag: Er diskutiert derzeit über einen Gesetzentwurf, der regeln soll, dass Flüchtlinge während ihrer Berufsausbildung vor der Abschiebung sicher sind. (epd/mig) Aktuell Politik
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