Replik auf Serap Güler

Migranten nicht für dumm verkaufen? – Ja, bitte!

Serap Güler (CDU), Landtagsabgeordnete in NRW, schrieb im MiGAZIN, die CDU hätte die Grünen bei integrationspolitischen Fragen überholt. Belit Onay (Die Grünen), Landtagsabgeordneter in Niedersachsen, sieht das anders und hält dagegen:

In einem Beitrag vom 02. August 2013 verkündet die Landtagsabgeordnete Serap Güler (CDU) auf dieser Seite, dass die CDU die Grünen bei integrationspolitischen Fragen überholt hätte, weshalb nun in den Reihen der Grünen die Angst um sich greife. Tatsächlich läuft es einem als türkischer Migrant in Deutschland eiskalt den Rücken runter, wenn man sich die Spiegel Online-Meldung vom 01. August 2013 auf der Zunge zergehen lässt: Demnach habe 1982 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) mit einem radikalen Plan die Hälfte aller Türkinnen und Türken loswerden wollen. Wenn man sich überlegt, dass es bei erfolgreicher Realisierung des Plans statistisch Frau Güler oder mich getroffen hätte, kann einem ob solcher CDU-Politik wirklich angst und bange werden.

Symbolpolitik in Niedersachsen
Doch neben dieser historischen Infragestellung der Daseinsberechtigung für TürkInnen in Deutschland findet die NRW-Landtagsabgeordnete lobende Worte für die bundesweite CDU-Migrationspolitik der vergangenen Jahre.

___STEADY_PAYWALL___

So würdigt sie den ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff für dessen Schritt, mit Aygül Özkan eine türkischstämmige und muslimische Landesministerin ernannt zu haben. Später erklärte dieser dann noch den Islam zu einem Teil Deutschlands.

Die Symbolik dieser beiden Schritte haben nachhaltig einen positiven Eindruck bei MigrantInnen und Muslimen in Deutschland hinterlassen. Doch schnell wurde klar, dass sie es über besagte Symbolik nicht hinaus schaffen. Ganz im Gegenteil lässt sich ein angespanntes Verhältnis zu Muslimen und zum Islam dokumentieren.

Unter den Augen und der Verantwortung des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und der Landesministerin Aygül Özkan wurden bundesweit einzigartige migrationspolitische Schandtaten in Niedersachsen vollbracht.

Bei verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen im ganzen Land wurden 4.000 Muslime bei Gottesdienstbesuchen verfassungswidrig kontrolliert und eine ganze Glaubensgemeinschaft unter Generalverdacht gestellt. Bei manchen Kontrollen wurden kontrollierte Personen sogar auf ihre Haut gestempelt.

Des Weiteren wurde mit einer sog. „Islamisten-Checkliste“ Muslimen pauschal Terrorpotential unterstellt. Dabei wurde eine Broschüre erstellt, wonach z.B. Gewichtsverlust und Geldsegen als Indizien für Extremismus aufgelistet wurden. Diese Broschüre wurde dann an LehrerInnen, ErzieherInnen und weitere Multiplikatoren verteilt.

Weder für die verfassungswidrigen Moscheekontrollen, noch für die sog. “Islamisten-Checkliste“ gab es von Wulff oder Özkan jemals ein Zeichen der Reue oder eine Entschuldigung.

Wichtig ist nicht auf, sondern im Kopf
Im Widerspruch zum Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts glänzte die Ministerin Özkan in einer Antwort auf eine große Anfrage der grünen Landtagsfraktion außerdem noch mit einer eigenwilligen Interpretation des muslimischen Kopftuches. So schrieb sie hierzu wörtlich: “Es demonstriert symbolisch eine Wertevorstellung, die eine niedrigere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie verlangt und außerdem ein Eintreten für einen islamischen Gottesstaat fordert.” 1

Aber auch bei den Dauerbrennern der Migrationspolitik, wie dem kommunalen Wahlrecht für nicht EU-BürgerInnen und der doppelten Staatsbürgerschaft, äußerte sich die Minsiterin Özkan ablehnend und unterstellte bei der doppelten Staatsbürgerschaft sogar ein fehlendes Bekenntnis zum deutschen Staat. Wenn man allerdings bedenkt, dass an der Spitze ihres Kabinetts mit David McAllister (CDU) ein Mensch mit deutscher und britischer Staatsbürgerschaft stand, dann gewinnt diese Unterstellung Özkans eine ganz eigene Brisanz.

Staatsbürgerschaft auf Zeit
Dass die Landtagsabgeordnete Serap Güler das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft lieber aus dem Wahlkampf raushalten möchte, wird nachvollziehbar, wenn man sich einmal ihre Positionierung dazu anschaut. In der Sitzung des nordrheinwestfälischen Landtags vom 25.04.2013 stimmte die CDU-Fraktion mehrheitlich gegen den Antrag „Staatsangehörigkeitsgesetz modernisieren: Einbürgerungen erleichtern, mehrfache Staatsbürgerschaft ermöglichen“.

Frau Güler enthielt sich dabei der Stimme und stellte in einer persönlichen Erklärung klar, dass sie die doppelte Staatbürgerschaft nach „zwei bis drei Generationen“ auslaufen lassen will. Der Optionszwang à la ‚Staatsbürgerschaft mit Verfallsdatum‘ lässt grüßen.

Im Bund nix Neues
Leider zieht sich diese Migrations- und Minderheitenpolitik der Union wie ein roter Faden auch durch die Bundesebene. Innenminister Friedrich glänzte bspw. bei der deutschen Islamkonferenz eher damit, dass er die wichtigen Verbände mit seinen populistischen und stigmatisierenden sicherheitspolitischen Ansätzen völlig verprellte.

Insofern gebe ich Frau Güler ausdrücklich Recht, wenn sie fordert, MigrantInnen nicht für dumm zu verkaufen. Im Sinne der Teilhabe ist es richtig und schön Menschen mit Migrationshintergrund in der Politik zu fördern und zu positionieren. Doch es verkommt zum reinen Etikettenschwindel, wenn man damit seine ausgrenzende, stigmatisierende Politik kaschieren möchte.

Die grüne Mitmachpartei
Für die Politik der Union wird man allerdings Frau Güler nur bedingt verantwortlich machen können, denn bei CDU/CSU wird das Wahlprogramm im Kern einfach beschlossen und verkündet. Das Grüne Wahlprogramm hingegen wird nicht von Vorständen im kleinen Kreis zusammengeschustert, sondern entspringt dem Zusammenprall der verschiedenen Ideen und Vorstellungen innerhalb der Partei. Allein 2600 Änderungsanträge wurden für das jetzige Bundestagswahlprogramm von grünen Parteimitgliedern eingebracht und auf der entsprechenden Bundesdelegiertenkonferenz, dem grünen Parteitag, inhaltlich diskutiert. Das Wahlprogramm ist somit ein Gesamtwerk der grünen Partei und ihrer Mitglieder. Die hier gebotene Einflussmöglichkeit im Rahmen der parteiinternen Demokratie ist auch für MigrantInnen besonders interessant und bietet umfassende Teilhabemöglichkeiten.

„Ich hab ja nix gegen euch, aber…“
Des Weiteren schneidet Frau Güler stichwortartig das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare an und schreibt: „Lasst uns auch über das Adoptionsrecht für Homosexuelle reden, für das sich alle Parteien außer der CDU einsetzen. Nicht, weil wir homophob sind, sondern weil wir das Kindesrecht, Recht auf Mutter und Vater, vor das Elternrecht stellen.“ Stilistisch erinnert das irgendwie an „Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber…“

Und wenn man dann noch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sog. Sukzessivadoption mit dem richtigen Hinweis des Gerichts auf den Gleichheitssatz nach Art. 3 I GG richtig liest, ist die Aberkennung des Adoptionsrechts ganz klar verfassungswidrig. Auch auf Frau Gülers Unterstellung, das Kindesrecht werde hier angegriffen, sei hier vor allem ein Satz aus dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zitiert: “Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie in einer Ehe.”

Dass die Union diese offensichtlich verfassungswidrige Haltung so vehement verteidigt, ist insofern erstaunlich, da man von MigrantInnen und ihren Verbänden ständig das klare Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz fordert. Dazu möchte man die Union an dieser Stelle auch nachdrücklich ermutigen. Denn ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Bundeswahlrecht, Ehegattensplitting oder EFSF, viel zu oft schon musste das Bundesverfassungsgericht die Merkel-Regierung in die Schranken des Grundgesetzes weisen.

  1. Muslimisches Leben in Niedersachsen, Antwort auf Große Anfrage, S. 29