Hoyerswerda 1991, Rostock-Lichtenhagen 1992, Mölln 1992, Solingen 1993.
Bahide, Yeliz, Ayşe – Ruhet in Frieden! Gürsün, Hatice, Gülistan, Hülya, Saime – Ruhet in Frieden!
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Die Bilder vom brennenden Asylantenheim in Rostock, Molotow Cocktail werfenden Menschen, Beifall klatschenden Passanten, die zu Mitläufer und Mittäter wurden, die Handlungsunfähigkeit der Polizei und die um ihr Überleben flehenden Vietnamesen in panischer Angst, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich habe Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Hoyerswerda und alle anderen Städte, in denen Menschen durch rechte Gewalt zu Opfer wurden, nicht verziehen.
Dann NSU – Aktenvernichtung, Urkundenunterdrückung, das Versagen deutscher Sicherheitsbehörden, der Zusammenhalt der Good Old Boys mit nationalkonservativen Werten – Deutschland, einig Vaterland. Es sind nur Kanaken gestorben.
Enver, Abdurrahim, Süleyman, Habil, Mehmet, Ismail, Theodoros, Mehmet, Halit und Michele – Ruhet in Frieden!
2020 – der Rassismus ist gesellschaftsfähig geworden. Asylunterkünfte brennen, Rechtsextreme sitzen in Parlamenten und hetzen – Hanau – 9 Menschen sterben. Trauerbeflaggung, Symbolpolitik, Scheindebatten – vergessen. Es sind nur Kanaken gestorben.
Ferhat, Mercedes, Sedat, Gökhan, Hamza, Kalojan, Vili, Said und Fatih – Ruhet in Frieden!
Der Neo-Nazi von heute ist Bankkaufman, der nette Nachbar von nebenan, der Lehrer, der Trainer, der Polizist, die Kindergärtnerin, der Kfz-Mechaniker, der Arzt, der Journalist, der Professor, der Social Media Manager, der Vertriebsleiter, der Personalchef. Ich bin nicht ausländerfeindlich, aber.
Solidaritätsbekundungen, Lichterketten, Hashtags und Gedenkstätten sind keine Antwort gegen Rassismus. Liebe kann man nicht erzwingen. Liebe kann man nicht verordnen. Kein Antidiskriminierungsgesetz verhilft jemanden dazu, einen anderen Menschen zu lieben.
Integrationsgipfel. Die Kadermigranten stehen Spalier, fühlen sich geschmeichelt von den Krümeln, die sie abbekommen. Fühlen sich gebauchpinselt und privilegiert am gleichen Tisch zu sitzen wie sie. Vergessen, die Leiter runterzulassen. Don’t rock the boat! Doch all das ist nur eine Frage der Zeit. Tische drehen sich.
Ich gehe mit meinen Schlitzaugen schlafen und wache morgens damit auf. Erzähl mir nicht davon, dass Du weißt, wie ich mich fühle oder es gut nachvollziehen kannst, wie es ist mit Schlitzaugen zu leben.
Sie mögen keine aufmüpfigen Schlitzaugen. Denn in ihren anachronistischen Weltbildern ist der Schlitzauge immer noch der lakaienhafte Diener, der stets lächelnd alles in Kauf nimmt und leicht herumgeschubst werden kann.
Und nun in Zeiten der Pandemie sind wir das Virus. Wir werden bespuckt, beleidigt und attackiert. Doch gegen Schlitzaugen sind solche Attacken und Beleidigungen kein Rassismus, wie die Polizei – dein Freund und Helfer – feststellt: „Der Vorfall hat weder nach seinen Umständen noch nach der Bedeutung der Folgen zu einer über den Lebenskreis der Beteiligten hinausgehenden Störung des Rechtsfriedens geführt. Die Strafverfolgung ist kein Anliegen der Allgemeinheit.“
Willkommen in Deutschland – im 21. Jahrhundert.