Merkel muss bleiben!

Der Rassismus gefährdet die Demokratie

Seit Thüringen diskutiert Deutschland über Demokratie. Sie sei gefährdet. Tatsächlich haben wir ein Rassismus-Problem, das mit den Werten der Demokratie unvereinbar ist. Unser Bollwerk dagegen ist derzeit unsere Bundeskanzlerin.

Ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass ich mir jemals wünschen würde, dass ein CDU-Mitglied Kanzlerin bleibt. Bis vor ein paar Tagen war das nicht der Fall, auch im „langen Sommer der Migration“ nicht, wo viele meiner eher linksgerichteten migrantischen Freunde plötzlich ihre Liebe zu Angela Merkel entdeckten.

Bis zum Sommer 2015 war Merkel in ihrer Haltung zu Migration bestenfalls eine klassische Vertreterin der Mehrheit – nach dem Motto: Wir ignorieren das Thema. Wenn wir Fachkräftemangel haben, lockern wir die Einwanderungsregeln. Wenn es Probleme gibt, verschärfen wir das Zuwanderungsrecht – so lange bis sich die Aufregung wieder legt und wir das Thema wieder ignorieren können.

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Anfang der 2000er betonte Merkel immer wieder: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Ab 2005 ließ man dann den Begriff Zuwanderung zu, seit letztem Jahr ist Deutschland zumindest ein „Fachkräfteeinwanderungsland“. Merkel hatte ihre Haltung auch in der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015 nicht radikal geändert, wie viele meinen. Der Aufnahme der Geflüchteten folgten bei Fuß von ihr initiierte oder mitgetragene Restriktionen des Asylrechts bis hin zur Gründung von Ankerzentren, lybischen Lagern und einer langanhaltenden Beschwörung der Formel: „2015 darf sich nicht wiederholen“.

Mit ihrer klaren Haltung zu den Vorgängen in Thüringen – „Unverzeihlich“ – hat sie im Gegensatz zu anderen keine Hintertür offengelassen. Mely Kiyaks Erhebung Merkels zur Schützerin der Minderheiten in Deutschland – der jüdischen, muslimischen, Sinti- und Roma, Schwarzen, migrantischen und postmigrantischen – ist deshalb zu unterstreichen und weiterzutreiben in die Forderung an die CDU und an sie selbst: Merkel muss bleiben!

„“Es wundert mich nicht, dass sich die ganze Debatte nun um die Gefährdung der Demokratie in Deutschland dreht. Denn für die Mehrheitsgesellschaft ist es immer noch einfacher, darüber zu sprechen, als darüber nachzudenken, warum nun die CDU am rechten Herzstück blutet.““

Es scheint so, als verstehen viele nicht, worum es geht: Die AfDler haben nur Macht, da wir uns seit einigen Jahren in einer Konjunkturphase des Rassismus befinden. Die Unterwanderung der Demokratie ist dabei nur das Vehikel und nicht das Ziel. Deshalb ist auch die Blindheit der Linken betrüblich und all jener, die das tun, nämlich von Faschismus zu sprechen. Wir haben es hier nicht primär mit Faschisten zu tun, oder gar Totalitären, denen es um den neuen Staat, den neuen Menschen, das Führerprinzip und die Abschaffung der Demokratie geht. Wir haben es mit Rassisten zu tun, die, um ihre Ziele durchzusetzen, auch bereits sind, die Demokratie zu opfern.

Bei den Nationalsozialisten war es der Hass auf Juden und Slawen oder gar deren Intersektion in Form des „Ostjuden“, die NPD entdeckte Mitte der 1960er die „Gastarbeiter“, in den 1970er Jahren waren es die sogenannten „Scheinasylanten“, die Republikaner wie auch die AfD verdankten die Tatsache, dass wir sie heute überhaupt noch kennen, der sogenannten „Asylkrise“ in den 1990ern und der „Flüchtlingskrise“ 2015.

Als jemand, der sich mit deutscher Rassismusgeschichte befasst, die es sowohl vor 1933 als auch nach 1945 gab, wundert es mich nicht, dass sich die ganze Debatte nun um die Gefährdung der Demokratie in Deutschland dreht. Denn für die Mehrheitsgesellschaft ist es immer noch einfacher, darüber zu sprechen, als darüber nachzudenken, warum nun die CDU am rechten Herzstück blutet.

In den Jahrzehnten zuvor war das kein so großes Thema, da seit Mitte der 1980er bis Ende der 1990er der Vorgänger Merkels, Helmut Kohl, all diese Tendenzen aufsaugte und offen und für die Anhänger seiner Partei hörbar und glaubhaft selbst vertrat und auch in milderer Version als die extrem Rechten umsetzte, an seiner Seite Wolfgang Schäuble, der immer noch da ist, und sämtliche CSU-Vorsitzende. Er hielt im Sinne seiner Klientel den Finger darüber, dass Deutschland weiterhin ein „Nicht-Einwanderungsland“ blieb, trotz den bereits in Deutschland lebenden Millionen Einwandern und deren Nachkommen. Und er sorgte mit dafür, dass die meisten von ihnen sehr, sehr lange keine vollen Bürgerrechte in diesem Land hatten und bis heute nicht haben – ein Armutszeugnis für die so erfolgreiche Demokratie Bundesrepublik!

Aber was heißt hier überhaupt Demokratie, über deren Gefährdung sich nun alle so aufregen? Wenn man darunter nur Prozesse, Proporze, Mehrheitsverhältnisse versteht, dann sind die AfDler auch Demokraten – das galt auch für die Nationalsozialisten, denn die standen ebenso zur Wahl und wurden gewählt.

Demokratie hat jedoch auch mit Werten zu tun, die zwar im „Westen“ als eigene Erfindungen proklamiert wurden, die allerdings schon immer nicht für den „Rest“ und somit nicht für alle Menschen gleichermaßen galten. In Deutschland war das auch nie anders, sondern meistens sogar schlimmer. Doch wenn Merkel dann wirklich weg ist und Höcke noch da, dann weiß ich auch nicht wohin.