Rote Linie überschritten

Kritik nach Durchsuchungen wegen Kirchenasyl

Durchsuchungen bei Hunsrücker Pfarrern wegen Kirchenasyls sorgen für Ärger: Die rheinische Kirche warnt vor einer Eskalation. „Asyl in der Kirche“ beklagt Kriminalisierung. Der Fall wecke zudem Furcht bei Gemeinden.

Die Durchsuchungen in vier Hunsrücker Kirchengemeinden haben einen neuen Streit über das Kirchenasyl ausgelöst. Die Vorstandsvorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, Dietlind Jochims, kritisierte am Freitag eine Kriminalisierung des Kirchenasyls. Der Migrationsexperte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Rafael Nikodemus, sprach von einem bundesweit beispiellosen Vorgang und kündigte ein Beschwerde an. „Diese Eskalation haben wir noch nicht gehabt“, sagte er in Düsseldorf dem „Evangelischen Pressedienst“.

Gemeindebüros und private Arbeitszimmer von fünf Pfarrern waren am Donnerstagmorgen durchsucht worden. Hintergrund sind mittlerweile beendete Kirchenasyle, die Auslöser für ein Ermittlungsverfahren gegen die Pfarrer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz waren. Bei der Hausdurchsuchung standen sowohl Gemeindebüros als auch private Arbeitszimmer der Pfarrer im Fokus.

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Rote Linie überschritten

Info: Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen. Der Aufenthaltsort der Flüchtlinge wird den Behörden gemeldet. Kirchenasylgemeinden sehen die Hilfe für Flüchtlinge als christliche Beistandspflicht an, die in der Bibel geboten werde. Die Überprüfung führt in den meisten Fällen zu einem Bleiberecht für die Betroffenen. Von den Behörden wird die Praxis des Kirchenasyls als Ausnahme in seltenen Fällen weitgehend geduldet. Die Kirchen sind aber kein rechtsfreier Raum, der Staat kann also jederzeit die Abschiebung vollziehen.

„Asyl in der Kirche“ erklärte, mit den Durchsuchungen sei eine rote Linie überschritten worden. „Wir sind entsetzt über die jetzt erfolgte weitere Eskalationsstufe und halten ein solches Vorgehen für vollkommen unverhältnismäßig“, sagte Vorstandschefin Jochims in Berlin.

Kirchenrat Nikodemus kündigte an, die rheinische Kirche werde Beschwerde wegen der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme einlegen. Die Landeskirche beobachte seit einiger Zeit eine Verschärfung der Atmosphäre im Kirchenasyl. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch die Länder verstärkten die Restriktionen. „Wir spüren einen enormen Druck der Ausländerbehörden“, beklagte der Migrationsexperte.

Furcht bei Gemeinden

Diese Verschärfungen zeigten sich auch auf der juristischen Ebene: Es würden mehr Strafanzeigen gegen Pfarrer gestellt, die oft aber ausgeräumt werden könnten, sagte Nikodemus dem „Evangelischen Pressedienst“. Der Hunsrücker Fall wecke nun Furcht bei Gemeinden. Im Zusammenhang mit den anderen Verschärfungen beobachte er, dass die Zahlen von Kirchenasyl leicht zurückgingen.

Auch der betroffene evangelische Kirchenkreis Simmern-Trarbach zeigte sich nach den Durchsuchungen erschüttert. Superintendent Hans-Joachim Hermes sprach von einer großen Anspannung bei den betroffenen zwei Pfarrerinnen und drei Pfarrern sowie ihren Ehepartnern und Sekretärinnen. „Zum Glück waren die Kinder noch in der Schule“, sagte der Theologe dem „Evangelischen Pressedienst“. „Wir sind froh, dass das vorbei ist und hoffentlich nicht wieder passiert.“

Strafanzeige eines CDU-Politikers

Anlass für die Ermittlungen waren Strafanzeigen des örtlichen Landrats, Marlon Bröhr (CDU), wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt. Die Gemeinden hatten insgesamt neun sudanesische Flüchtlinge ins Kirchenasyl aufgenommen. Mittlerweile haben die Flüchtlinge nach Angaben von Hermes das Kirchenasyl verlassen und leben wieder in ihren Wohnungen.

Sie waren über Italien nach Deutschland gekommen, weshalb ihre Asylanträge nach EU-Recht eigentlich dort bearbeitet werden müssten. Allerdings ist nach einer Frist von sechs Monaten Deutschland für sie zuständig – diese Frist kann indes auf 18 Monate ausgedehnt werden, wenn Kirchengemeinden Verfahrensabsprachen nicht einhalten. „Das Kirchenasyl hat bewirkt, dass sie nicht in die unsägliche Situation nach Italien abgeschoben werden“, erklärte der Superintendent. In dem Land lebten viele Asylbewerber in einem erbärmlichen Zustand auf der Straße. (epd/mig)