Europäischer Gerichtshof

Arbeitgeber dürfen Kopftuch unter Bedingungen verbieten

Hüben Religionsvertreter, Menschenrechtler und eine staatliche Antidiskriminierungsstelle – drüben Arbeitgeber und ein CSU-Politiker: Die Kopftuch-Urteile des Europäischen Gerichtshofs stoßen auf ein geteiltes Echo.

Ein Arbeitgeber darf einer Muslimin unter bestimmten Umständen das Kopftuch verbieten. Allerdings darf ein solches Verbot nicht nur auf Symbole des muslimischen Glaubens zielen und auch nicht einfach deshalb verfügt werden, weil sich Kunden an dem Kopftuch stören. Das geht aus zwei am Dienstag in Luxemburg verkündeten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Fällen aus Frankreich und Belgien hervor, die eine neue Diskussion um Religionsfreiheit und Diskriminierung entfachten. (AZ: C-188/15 und C-157/15)

In Belgien ging es um Samira Achbita, die bei einer Firma für Sicherheits- und Rezeptionsdienste beschäftigt war. Sie hatte nach EuGH-Angaben bereits drei Jahre dort gearbeitet, als sie 2006 darauf bestand, künftig mit einem Kopftuch zur Arbeit zu kommen. Daraufhin wurde ihr gekündigt. Das Unternehmen berief sich auf eine interne Unternehmensregel, wonach das Tragen sichtbarer religiöser, politischer und philosophischer Zeichen bei der Arbeit generell verboten sei. Nach Ansicht der Luxemburger Richter kann eine solche Vorschrift durchaus rechtens sein, wenn sie der „Verfolgung einer Politik der politischen, philosophischen und religiösen Neutralität“ dient.

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In Frankreich hatte Asma Bougnaoui von 2008 an als Softwaredesignerin für eine IT-Firma gearbeitet, wie der EuGH erklärte. Dabei beschwerte sich eine Kundenfirma über ihr Kopftuch. Wegen ihrer Weigerung, das Kleidungsstück bei künftigen Kundenbesuchen abzulegen, wurde Bougnaoui 2009 entlassen. Der EuGH urteilte nun, dass der Wille des Arbeitgebers, derartigen Kundenwünschen zu entsprechen, „nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ angesehen werden könne. Daher rechtfertige dies allein ein Kopftuchverbot nicht. Sollte allerdings ähnlich wie im belgischen Fall eine Unternehmensregel die weltanschauliche Neutralität festlegen, könnte das Verbot wie dort rechtmäßig sein, erklärte der Gerichtshof.

Muslime enttäuscht

Die französische und die belgische Justiz müssen nun im Lichte der EuGH-Urteile die Prozesse abschließen. Zugleich binden diese bei ähnlichen Fällen auch die Justiz aller anderen EU-Länder.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) äußerte sich enttäuscht. „Wenn Frauen sich zwischen ihrer religiösen Überzeugung und ihrer beruflichen Tätigkeit entscheiden müssen, sind die Diskriminierungsverbote, die Gleichbehandlungsgebote und die individuellen Freiheitsrechte, die das Fundament europäischer Verfassungen und Gesetzgebungen verkörpern, nicht das Papier wert auf dem sie stehen“, erklärte der ZMD in Köln.

Antidiskriminierungsstelle äußert Kritik

Kritik äußerte auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Es könne „für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, in Zukunft noch schwerer werden, in den Arbeitsmarkt zu kommen“, erklärte die staatliche Stelle. Das Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte, der EuGH verkenne die Religionsfreiheit. Religion sei „mehr als ein Aspekt privater Lebensführung“, wie es der EuGH in seinen Ausführungen implizit unterstelle, sagte die Leiterin des Büros, Katrin Hatzinger, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Amnesty International bemängelte, die Richtersprüche eröffneten Arbeitgebern mehr Spielraum für religiöse Diskriminierung.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nannte die Urteile hingegen richtig. „Arbeitgeber müssen eine Arbeitsordnung erlassen können, die politische, philosophische oder religiöse Neutralität gegenüber den Kunden gewährleistet.“ Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber erklärte: „In Europa gelten die Werte Europas. Deshalb ist es richtig, dass Arbeitgeber das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz unter bestimmten Umständen untersagen können.“ (epd/mig)