Racial Profiling

Antirassistische Mogelpackung

Von der Hautfarbe lässt sich nicht auf Migrationshintergrund schließen – außer durch die Bundespolizei. Ein kritischer Blick auf die Antwort der Bundesregierung zu den Polizeikontrollen in der Kölner Silvesternacht. Von Ulla Jelpke

„Diskriminierende Fahndungsmethoden bzw. ein sogenanntes racial profiling sind rechtswidrig und werden bei der Bundespolizei weder praktiziert noch gelehrt“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung zu den Kontrollmaßnahmen in der jüngsten Kölner Silvesternacht.

Wir erinnern uns: In der fraglichen Nacht wurden von Landes- und Bundespolizei etliche Hundert Silvesterfeiernde kontrolliert, durchsucht und mit Platzverweis belegt. Augenzeugen und Medien berichteten übereinstimmend, was das entscheidende Kriterium für die Maßnahme war: Die Hautfarbe. Weiße ins Töpfchen, Schwarze ins Kröpfchen. Die Kölner Polizei ließ kurz danach wissen, es seien zu 98 Prozent Nordafrikaner betroffen gewesen, musste diese Darstellung aber nach einer genaueren Auswertung der Kontrollen revidieren: Lediglich 9,4 Prozent stammten aus Algerien bzw. Marokko, die meisten Personen aus dem Irak, aus Syrien oder aus Afghanistan, und ein paar Dutzend Deutsche waren auch darunter. Okay, aus weißem Blickwinkel heraus sehen Araber halt aus wie Nordafrikaner. Was lernt man daraus? Die Bundesregierung weiß es und schreibt es in ihre Antwort rein: „Aus dem äußeren Erscheinungsbild allein können keine Rückschlüsse auf einen möglichen Migrationshintergrund gezogen werden.“

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Absolut richtig. Jetzt muss das nur noch verinnerlicht werden. Denn vor und nach dieser erhellenden Einsicht stehen Sätze wie dieser: „Im Rahmen der Gesamteinsatzmaßnahmen wurden am und im Kölner Hauptbahnhof durch die Bundespolizei etwa 2000 an- und abreisende nordafrikanische Männer festgestellt.“

„Festgestellt“? Die Kölner Polizei konnte die Korrektur ihrer Ersteinschätzung (alles Nordafrikaner) anhand durchgeführter Personalienfeststellung vornehmen. Die Bundespolizei weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass ihre „Feststellung“ ohne eine solche Kontrolle erfolgte. Das gleiche gilt auch für die 900 durchgeführten Platzverweise, die sich „überwiegend gegen größere Personengruppen nordafrikanischer Männer“ richteten. „Eine Erhebung von Personaldaten erfolgt dabei grundsätzlich nicht.“ Genauer gesagt: Die erfolgte bei ganzen 18 Personen (von 900!), und von denen stammten 13 nicht aus Nordafrika.

Jetzt muss mir mal jemand erklären, wie ein Bundespolizist, ohne in die Ausweise zu schauen oder die Betroffenen einzeln zu befragen, „feststellt“, dass ein gesichteter oder des Platzes verwiesener Mann ein Nordafrikaner ist. Die hatten ja keinen bunten „Ich bin ein Nafri“-Anstecker an der Jacke kleben.

„Die sahen halt so aus“, dürfte wohl das gewichtigste Argument sein, das die Bundespolizei dafür angeben kann. Der Bundesregierung ist schon bewusst, dass so was heute – eigentlich – nicht geht. Deswegen hat sie ja auch den Satz reingeschrieben, man könne nicht vom bloßen Äußeren auf einen Migrationshintergrund schließen. Der Versuch, die Bundespolizei vom Rassismus freizusprechen, geht allerdings nach hinten los, indem im gleichen Dokument dann doch wieder davon die Rede ist, die Polizei könne ohne jede Identitätsfeststellung, also anhand des bloßen Augenscheins, feststellen, dass einer Nordafrikaner ist. Da hat wohl beim Redigieren des Schreibens keiner gemerkt, dass da ein Widerspruch liegen könnte. Was leider nur zeigt, wie verinnerlicht die Praxis des „racial profiling“ doch ist. Anstatt vergebliche Versuche zu machen, das unter den Tisch zu kehren, muss die Bundesregierung das Problem endlich offensiv angehen. Denn wie hat wenige Tage später Arbeitsgruppe der UN festgehalten: Rassistische Polizeipraxis ist in Deutschland weit verbreitet, wird aber offiziell geleugnet, was zu einem Klima der Straflosigkeit führt.