Einbürgerungen zurückgegangen

Integrationsbeauftragte fordert modernes Staatsbürgerschaftsrecht

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland weniger Ausländer eingebürgert. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung fordert Liberalisierungen im Staatsbürgerschaftsrecht und Mehrstaatigkeit.

Im Verlauf des Jahres 2015 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) in Deutschland knapp 107.200 Ausländer eingebürgert. Das sind gut 1.200 Einbürgerungen oder 1,1 Prozent weniger als im Jahr zuvor und rund 1.500 Einbürgerungen oder 1,4 Prozent weniger als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.

Die Entwicklung innerhalb Deutschlands verlief wie schon in den Jahren zuvor uneinheitlich. So gab es 2015 in zehn Bundesländern mehr Einbürgerungen als im Jahr zuvor mit dem höchsten Anstieg in Baden-Württemberg (4,4 Prozent). In sechs Ländern lag die Zahl der Einbürgerungen niedriger als im Jahr 2014, wobei der Rückgang in Nordrhein-Westfalen absolut und in Hessen relativ am höchsten ausfiel.

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Özoğuz: Wir müssen Mehrstaatigkeit akzeptieren

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, fordert weitere Liberalisierungen im Staatsbürgerschaftsrecht. „Solange wir Mehrstaatigkeit nicht hinnehmen, werden die Einbürgerungszahlen niedrig bleiben“, erklärt Özoğuz und verweist auf die akutellen Zahlen: Während 98 Prozent der Eingebürgerten aus der EU einen doppelten Pass haben, sind es bei den türkischen Staatsangehörigen 17,5 Prozent. Ein weiterer Vergleich: 99,5 Prozent aller eingebürgerten Briten behielten 2015 ihren britischen Pass. „Wir brauchen deshalb ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, das unserer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft entspricht“, erklärte Özoğuz.

Deutlicher fällt die Kritik von Sevim Dağdelen (Die Linke) aus. „Immer mehr Menschen, die ein fester Teil unserer Gesellschaft sind, bleiben Bürger zweiter Klasse. Schuld daran ist die rigide Einbürgerungspolitik und -praxis, die beendet werden muss“, so die Linkspolitikerin. Sie fordert „umfassende Einbürgerungserleichterungen“. Auch rechtliche Hürden wie hohe Gebühren, Sprach- und Einkommensanforderungen müssten beseitigt werden.

Rückläufige türkische Einbürgerungen

Die Einbürgerungen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) sind gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen. Dagegen sind die Einbürgerungen aus den EU-Kandidatenländern zurückgegangen. Dies ist jedoch fast ausschließlich die Folge der rückläufigen türkischen Einbürgerungen (- 2.800 oder – 12,4 Prozent). Aus den verbleibenden europäischen Ländern wurden mehr Personen eingebürgert als im Vorjahr, vor allem wegen der deutlich höheren Zahl von Einbürgerungen aus der Ukraine (32,6 Prozent). Die Zahl der Eingebürgerten aus Afrika, Amerika, Asien und Australien beziehungsweise Ozeanien stieg insgesamt moderat an.

Am häufigsten wurden wie in den Vorjahren türkische Staatsbürger eingebürgert (19 700 Fälle), gefolgt von Personen aus Polen (5.900 Fälle), der Ukraine (4.200 Fälle), dem Kosovo (3.800 Fälle), dem Irak und Italien (jeweils 3.400 Fälle).

Das ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial betrug im Jahr 2015 durchschnittlich 2,2 Prozent. Staatsbürger aus den Mitgliedsländern der EU weisen dabei traditionell unterdurchschnittliche Werte auf. Die höchsten Werte gab es bei Kamerun, Nigeria, Syrien und dem Irak. (bk)