Innenminister steht im Weg

Baden-Württemberg kann alles. Außer NSU-Aufklärung

Erneut glänzt Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall mit Berhinderung von NSU-Aufklärungsarbeiten. Sein neuester Coup: Er erlaubt Polizisten nicht, vor der Enquete-Kommission auszusagen. Kurios ist: Die Kommission hat Gall selbst gefordert.

Es ist ein starkes Stück, was sich der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) in Sachen NSU erlaubt. Mit Müh und Not hatte er den Koalitionspartner (Die Grünen) davon überzeugt, eine Enquete-Kommission anstelle des geforderten Untersuchungsausschusses einzurichten. Jetzt blockiert er höchstpersönlich die Vernehmung wichtiger Zeugen, weil der Kommission die Befugnisse fehlten. Ein Affront. Doch der Reihe nach:

Seit Bekanntwerden der NSU ist klar, der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn gehört mit zu den brisantesten im gesamten NSU Komplex. Experten gehen davon aus, dass die Aufklärung dieses Mordes Licht ins NSU-Dunkel bringen könnte. Offiziell wird dieser Mord dem NSU-Trio zugeschrieben. Doch zahlreiche Fragen lassen berechtigte Zweifel an dieser Lesart aufkommen.

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So gibt es Hinweise für die Verwicklungen weiterer Neonazis in diesen Mord; zurückgehaltene Phantombilder zeigen nicht die Mitglieder des NSU-Trios; V-Leute hielten sich „zufällig“ zur Tatzeit im Umfeld des Tatortes auf; zudem wurden Verbindungen zum baden-württembergischen Ku-Klux-Klan bekannt.

Der plötzliche Tod von Florian Heilig, einem der wichtigsten NSU- Zeugen, ist besonders dubios. Er sollte zum Heilbronn-Mord aussagen. Auf dem Weg zum Landeskriminalamt soll er sich – so die offizielle Version – aber kurzerhand entschlossen haben, aus Liebeskummer Selbstmord zu begehen. Die Frage lautet: Wieso fesselt sich ein junger Mann in sein Auto, setzt es in Brand und wählt damit die wohl schmerzhafteste Selbstmordvariante?

Angesichts dieser und weiterer bohrender Fragen war der Druck in Baden-Württemberg groß, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach dem Vorbild des Bundes und anderer Bundesländer einzurichten. Die Grünen waren dafür, die Jusos ebenso und selbst die Opposition hätte ein „Nein“ kaum begründen können. Dennoch gelang es Innenminister Gall, alle umzustimmen mit der Folge, dass eine Enquete-Kommission eingerichtet wurde mit vergleichsweise stark eingeschränkten Befugnissen.

Und wie nun bekannt wurde, sorgt ausgerechnet der Innenminister dafür, dass wichtige Zeugen von der Kommission nicht vernommen werden können. Wie die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet bekommen zwei Polizisten keine Genehmigung vom Innenministerium, vor dem Landtagsgremium Auskunft zu erteilen. Die Begründung hört sich angesichts der Dimension des NSU-Komplexes mindestens kleinkariert an:

Die Anhörung der Polizisten sei „aus mehreren Gründen problematisch“, zitiert die Zeitung aus einem Schreiben des Innenministeriums. So sei deren Funktion als frühere Leiter der Soko „Parkplatz“ und ihre Tätigkeit als Polizeibeamte in demselben Ermittlungsverfahren „mit der Rolle als Sachverständiger nicht vereinbar“. Wenn die angefragten Polizisten aber nach Vernehmungen oder Durchsuchungen befragt würden, gehe es um Zeugenaussagen. Für Zeugenvernehmungen aber fehle einer Enquete-Kommission die rechtliche Grundlage. Anders formuliert: Hätten die Grünen am Ausschuss festgehalten und sich von Gall keine Kommission aufschwatzen lassen, hätte der Innenminister die Aussage der Polizeibeamten nicht blockieren können.

Dieser Gall’sche Hohn in Richtung der NSU-Opfer ist kein Einzelfall. Schon einmal hatte der SPD Politiker eine sogenannte Ermittlungsgruppe eingesetzt mit der Aufgabe, das Umfeld der NSU aufzuklären. Das Manko daran war allerdings unübersehbar: in dieser Ermittlungsgruppe saßen Sicherheitsorgane; sie schauten sich also selbst auf die Finger. Wenig überraschend stellte sich die Ermittlungsgruppe in dem im Februar vorgelegten Bericht einen Persilschein aus.

Bleibt nun abzuwarten, wie lange sich die Grünen von Gall in Sachen NSU noch an der Nase herumführen lassen. Das bisher bemühte Argument, auch ein Untersuchungsausschuss könnte aufgrund der laufenden Ermittlungen und des Prozesses nicht weiterhelfen, überzeugt spätestens seit dem Vorliegen des Thüringer NSU Abschlussberichts nicht mehr. Darin hat der Ausschuss den Gegenbeweis erbracht, dass auch in dieser Situation einiges möglich ist.

Ein Jetzt-erst-recht-Ruck stünde den Grünen im Schwabenland also gut zu Gesicht. Sonst laufen sie Gefahr, die eigene Generalprobe, ein Land mit Rückgrat regieren zu können, zu vergeigen. Das ohnehin angeschlagene Vertrauen der Wähler in grüne Politik würde auf lange Zeit irreparabel zerstört werden – weit über die Landtagswahlen 2016 hinaus. Und bekanntlich gibt es in Grünen-Hochburgen wie Stuttgart besonders viele Wähler mit dem berühmt-berüchtigten Migrationshintergrund; die werden ganz genau hingucken.