Übrigens

Image-Treiber Fußball

Deutschland ist Weltmeister. Das ist gut für das Image der Migranten insgesamt. So etwas vollzieht sich nicht schnell. Da aber Fußball regelmäßig und positiv – vor allem bei Erfolgen – von den Medien präsentiert wird, verläuft die Imagekorrektur nachhaltig.

In den 32 National-Mannschaften der Fußball-Weltmeisterschaft ist der Migranten-Anteil unterschiedlich hoch. Beim Zuwanderungsfaktor der Schweiz wundert es nicht, dass 15 von 23 Migranten oder ihre Nachfahren sind. Diese Vielfalt ist noch recht jung. Vor 20 Jahren bei der Weltmeisterschaft in den USA spielte Nestor Subiat aus Argentinien als einziger Legionär in der Schweizer Auswahl.

Ähnlich war es in der Bundesrepublik. Als sie beim „Wunder von Bern“ im Juli 1954 die als unbesiegbar geltenden Ungarn doch bezwingen konnte, sprach der rechte Verteidiger Jupp Posipal mit seinem Gegenspieler Zoltan Czibor ungarisch; beide waren im rumänischen Lugoj zur Schule gegangen.

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Die Wurzeln der Schweizer Spieler liegen in 21 Ländern, die des Australien-Teams in 18, jene der Mannschaften von Algerien, Bosnien-Herzegowina und Frankreich in jeweils 16 Ländern. 11 von 23 in der siegreichen deutschen Nationalelf – praktisch die Hälfte – haben nichtdeutsche Wurzeln. Das ist viel bei einem Migranten-Anteil von nur einem Drittel an der Bevölkerung insgesamt.

Die früher häufige Antwort, warum Migranten in vielen Ländern im Fußball überrepräsentiert sind, war ihr niedrigerer Bildungsgrad. Diese Deutung ist passé. Der moderne Fußball ist Systemspiel. Seine Inszenierung ist ein höchst anspruchsvolles Geschäft.

Der heutige Spitzenspieler muss nicht nur auf dem Platz bestehen, sondern auch öffentlich – also vor allem in den Massenmedien. Kurz, es braucht intelligente, smarte Leute. Ihnen steht dafür auch die Chance eines überdurchschnittlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs offen – mit hoch attraktiven Anschluss-Karrieren nach der aktiven Spielerzeit.

Fußball heute verlangt hohe und höchste Leistung – nicht nur sportlich. Die Leute wissen das. Der große und häufige Erfolg von Migranten im Fußball verändert das Migranten-Image insgesamt. So etwas vollzieht sich nicht schnell. Da aber Fußball regelmäßig von den Medien präsentiert wird und positiver als Politik und Wirtschaft, verläuft die Imagekorrektur nachhaltig.

Im Fernsehen hat der Fußball viel Konkurrenz durch Autorennsport und Tennis, wie die Mediatenor-Grafik der 15 meistgenannten Protagonisten des Sports in den internationalen TV-Nachrichten dieses Jahres zeigt.

3.859 Berichte über Sport-Protagonisten, davon 941 des Fußballs in internationalen TV-Nachrichten vom 1. Januar bis 10. Juli 2014 © Mediatenor

Noch mehr Aufmerksamkeit als Rennfahrern und Tennisspielern gaben die TV-Nachrichten dem Gerichtsverfahren gegen den südafrikanischen Ausnahme-Sportler Oscar Pistorius. Dem stehen aber die Zuschauerzahlen bei den TV-Übertragungen der Spiele der diesjährigen Fußball-WM gegenüber, die nicht nur in Deutschland alle bisherigen Rekorde übertrafen. Und über ein solches Mega-Ereignis reden die Menschen miteinander noch lange, wenn den aktuellen Skandal-Bericht längst ein anderer verdrängt hat.

Ich bin kein Fußball-Fan, an meinem Balkon hängt keine Fahne. Aber dass das überproportionale Engagement von Migranten im Fußball nicht nur den Erfolgreichen unter ihnen nützt, sondern zu einem verbesserten Migranten-Image in Deutschland und anderswo beiträgt, das kann ich mit den Händen greifen. Das tröstet selbst über Blatter und Co. etwas hinweg.