Kommunales Wahlrecht

Von welchen Staatsbürger-Pflichten redet ihr?

Das Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer ruft erneut die CDU-Hardliner auf den Plan. Das Wahlrecht sei mit der deutschen Staatsbürgerschaft und mit Pflichten verknüpft. Welche Pflichten gemeint sind, will aber niemand sagen. Nicht ohne Grund. Es gibt keine.

Ta-taa! Da sind sie wieder. Die ach so wichtigen Pflichten deutscher Staatsbürger, die so wichtig sind, dass man damit alles ablehnen kann. Beispielsweise das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer. Die integrationsbeauftrage der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), hatte es vor gut einer Woche in einem Interview mit der Welt am Sonntag als ein „wichtiges Instrument“ bezeichnet.

Kaum war die Tinte auf dem Zeitungspapier trocken, käuten auch schon die üblichen Verdächtigen ihre Argumente wieder. Allen voran die CDU-Hardliner wie Wolfgang Bosbach (CDU): Deutsche Staatsbürger hätten Rechte wie das Wahlrecht, aber sie hätten auch staatsbürgerliche Pflichten. „Warum sollte sich jemand um den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bemühen, wenn er auch ohne Verleihung der Staatsangehörigkeit die vollen Rechte hat, ohne die Pflichten tragen zu müssen?“, sagte der CDU-Innen„experte“ der Welt.

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AfD applaudiert CDU
Applaus bekam Bosbach vom derzeit stärkstem Mitbuhler um Wählerstimmen am rechten Rand: der Alternative für Deutschland (AfD). Ein AfD-Sprecher meinte sogar, dass das Wahlrecht durch Pflichten aufgewogen werde, „die von Ausländern nicht erwartet oder gar verlangt werden können“. Dem Duo gesellte sich zuletzt auch der Bundesinnenminister hinzu. Thomas de Maizière (CDU) sagte im Gespräch mit dem SWR, das Wahlrecht hänge eng mit der Staatsbürgerschaft zusammen. Einigkeit auf breiter Flur also.

Worin sich die Herren aber einig sind, weiß niemand. Deutsche Staatsbürger haben Rechte. Die lassen sich ellenlang aufzählen: Versammlungsfreiheit, Vereinsfreiheit, Berufsfreiheit, Steuerfreiheit und sogar das Widerstandsrecht und viele Weitere sind tatsächlich nur Deutschen vorbehalten. Aber Pflichten? Welche Mehr-Pflicht hat ein deutscher Staatsbürger im Vergleich zu einem Ausländer?

Schweigen. Bitte!
Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, sagt man. In diesem Fall erweist sich diese Weisheit als nicht zielführend. Auch in der Fachliteratur ist nichts zu finden. Nur die Wehrpflicht taucht in älteren Auflagen noch auf, doch die wurde im Juli 2011 von einer CDU-Regierung ausgesetzt in Friedenszeiten. Und selbst wenn es mal brennen sollte, haben deutsche Staatsbürger das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

Welche Pflichten meint die CDU-AfD Koalition also? Wer diese Frage beantworten kann, soll vortreten oder für immer schweigen. Bitte!

Denn auf der anderen Seite gibt es nicht nur genug, sondern und vor allem überzeugende Argumente für das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer. Ein gutes Beispiel hatte Özoğuz geliefert: Warum soll der seit 50 Jahren in Berlin-Tempelhof wohnende Sri-Lanker nicht über die geplante Flughafenbebauung mitentscheiden können, dafür aber der neu hinzugezogene Lette, Finne oder Zyprer? Nur weil letztere EU-Bürger sind? Wenn ja, was kann der Sri-Lanker dafür, dass sein Herkunftsland am Indischen Ozean liegt und nicht an der Nordsee?

Verbohrt oder Hochintelligent?
Grünen-Politiker Volker Beck kennt die Antwort: „Wie schon beim Doppelpass zeigt sich auch bei der Frage nach dem kommunalen Wahlrecht, wie verbohrt CDU und CSU sind, wenn es um demokratische Teilhabe für Menschen geht, die hier leben, aber sie oder ihre Eltern nach Deutschland eingewandert sind.“

Aber vielleicht tun die CDU-Politiker nur so. In Wahrheit sind sie hochintelligent und dumm sind die vielen Nicht-EU-Ausländer. Würden die mehrheitlich CDU wählen, würde man über die Pflichten gemeinsam lachen.