Bei den Empfehlungen für weiterführende Schulen wundern sich immer wieder nicht nur Eltern, sondern auch manche PädagogInnen über die Entscheidungen von Lehrkräften. Ausschlaggebend für die Beurteilungen sollten Fachleistungen und Arbeitsverhalten der SchülerInnen sein.
Nicht selten werden aber auch Persönlichkeitsmerkmale angeführt, wenn eine Empfehlung unterhalb des Leistungsniveaus eines Kindes ausgesprochen wird. Oder Lehrkräfte gehen davon aus, dass es an häuslicher Unterstützung mangele und daher ansonsten leistungsfähige Kinder im Gymnasium scheitern würden.
Letzteres wird besonders häufig bei Eltern mit Migrationshintergrund unterstellt, hat u.a. Franz Legewie, Rektor einer Grundschule in Köln, beobachtet. „Ich finde es empörend, dass Migration immer noch als Makel angesehen wird – als würden uns die Migranten den Pisa-Schnitt kaputt machen. Das ist völliger Unsinn“, erklärt Legewie. „Wir leben inzwischen in globalisierten Dörfern, d.h. die Zusammensetzung der Schülerschaft an Grundschulen ist multikulturell. Es geht darum, die damit verbundenen Kompetenzen nutzbar zu machen und nicht so sehr auf Defizite zu gucken.“
Wenn SchülerInnen eine Negativbewertung durch LehrerInnen bekommen, kann dies ihr Selbstwertgefühl und infolgedessen auch ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Leila Kaddour, Realschullehrerin in Bonn, weiß aus Erfahrung: „Das kann definitiv zu Unsicherheiten führen, zu Ängsten, Abwehrreaktionen, zu Aggressionen oder auch Rückzug. Wenn die Kinder dann einmal über diese negative Rückmeldung ihr Selbstbild konstruiert haben, ist es unheimlich schwer, sie aus dieser Position wieder herauszuholen.“
An ihrer Realschule sind in den unteren Jahrgängen ausschließlich Kinder mit Migrationshintergrund vertreten. Die Mehrheit ist in Deutschland geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Es sind weit mehr Jungen als Mädchen. Das komplette Fehlen von Kindern ohne Migrationshintergrund erklärt sich Kaddour mit einem – eventuell unbewussten – Selektionsmechanismus, durch den Jungen mit guten Noten und Migrationshintergrund vor allem auf der Realschule landen und nicht wie ihre deutschstämmigen Altersgenossen im Gymnasium.