Moscheebesudelung

„Keinerlei“ extremistischer Hintergrund?

Knapp zwei Wochen, nachdem das im Bau befindliche Anwesen des deutsch-türkischen Kulturvereins, das auch einen Gebetsraum beherbergt, mit Schweineblut beschmutzt wurde, haben nun die Fahnder der Aschaffenburger Kripo die Verantwortlichen ermittelt. Einen rechtsradikalen Hintergrund schließt die Staatsanwaltschaft aus; die bayerische SPD ist empört.

In der Nacht zum 24. Oktober hatten bis dato Unbekannte vier junge Männer aus den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg das Vereinshaus in der Schlesierstraße mit Schweineblut gefüllten Ballons beworfen und Schweineaugen vor dem Anwesen abgelegt. Beamte der Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg übernahmen noch am selben Tag die Sachbearbeitung vor Ort, eine Ermittlungskommission wurde eingerichtet.

Nachdem sich, wie vergangenen Donnerstag bereits berichtet, die Kriminalbeamten für einen silberfarbenen VW Bus interessierten, der zur vermeintlichen Tatzeit im Umfeld der Schlesierstraße gesichtet worden war, bekamen die Ermittler den entscheidenden Hinweis aus der Bevölkerung. In der Folge konnte der Fahrzeughalter ermittelt und vernommen werden. Der 24-Jährige aus dem Landkreis Aschaffenburg gestand, dass er drei weitere junge Männer mit seinem VW Bus zum Tatobjekt gefahren hat. Im Fahrzeug befand sich außerdem die Freundin eines der Täter.

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Die drei Ballonwerfer seien dann auf Höhe des Vereinsheims aus dem Fahrzeug gestiegen und hätten dabei jeweils einen Plastikeimer mitgeführt. In den Eimern hätten sich sowohl die mit Schweineblut gefüllten Ballons als auch die Schweineaugen befunden. Beides habe einer der Männer, ein 25-Jähriger, der in einem fleischverarbeitenden Betrieb beschäftigt ist, von seiner Arbeitsstelle mitgenommen. Nachdem sie ihre Spuren hinterlassen hatten, hätten sich die Täter wieder nach Hause fahren lassen, so die Einlassungen der bisher Vernommenen.

Keinerlei extremistischen Hintergrund?
Auf Grundlage des Hinweises, der nach der Presseberichterstattung vom vergangenen Donnerstag bei den Ermittlern einging, konnten zwischenzeitlich alle fünf involvierten Personen zweifelsfrei identifiziert werden. Als Motiv führen die Beschuldigten ihr persönliches Unverständnis bezüglich der Baugenehmigung für die muslimische Gebetsstätte an. Von einer pauschalen Fremdenfeindlichkeit distanzieren sich die Beschuldigten, die nach bisherigen polizeilichen Erkenntnissen zudem nicht dem rechten Spektrum zuzurechnen sind.

Die zugehörigen Ermittlungen werden in enger Zusammenarbeit mit der Aschaffenburger Staatsanwaltschaft geführt. Die zuständige Staatsanwältin sagte, sie sehe trotz der Begründung der Täter „keinerlei“ extremistischen Hintergrund für die Tat. Sie gehe von einer „ganz normalen Sachbeschädigung“ aus. Es habe sich bei dem Gebäude um ein säkulares Kulturzentrum gehandelt. Die Gebetsräume seien ja noch gar nicht in Betrieb gewesen. Und selbst wenn die Moschee bereits genutzt worden wäre, wäre es aus fraglich, ob dies an ihrer Einschätzung der Tat etwas ändern würde.

Als „unsäglich“ und in schlechtester deutscher Justiztradition stehend kritisiert der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Franz Schindler diese Einschätzung.

„Vielleicht habe die Frau Staatsanwältin nicht genau genug hingesehen! Wenn die Täter schon als Motiv angeben, sie hätten kein Verständnis für die Baugenehmigung für eine muslimische Gebetsstätte und deshalb den Rohbau mit Schweineblut und Schweineaugen besudelt, handele es sich nicht um einen Dummen-Jungen-Streich. Ohne mit Kanonen auf Spatzen schießen zu wollen, dürfe man von der Staatsanwaltschaft bei Vorkommnissen dieser Qualität etwas mehr Sensibilität erwarten“, so Schindler.

Wenn die Besudelung einer in Bau befindlichen Moschee als „ganz normale Sachbeschädigung“ gewertet werde, frage man sich, was eigentlich passieren müsse, damit nach einem extremistischen Hintergrund ermittelt werde.

Auch der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Ali Kizilkaya, zeigte sich „irritiert“ über die Aussagen der Staatsanwältin. Schließlich hätten doch zwei der Tatverdächtigen selbst zugegeben, dass ihre Missbilligung des Moscheebaus das Motiv für ihre Tat gewesen sei. Man dürfe Islamfeindlichkeit nicht verharmlosen, warnte Kizilkaya. Ihm stelle sich die Tat als „sehr durchdacht und nicht spontan“ dar. Eine Behandlung des Falls als normale Sachbeschädigung habe auch keine abschreckende Wirkung. In alle Richtungen müsse die Staatsanwältin ermitteln, forderte er.