Niedersachsen

Grüne legen Gesetzesentwurf gegen Moscheekontrollen vor

Die Landtagsgrünen in Niedersachsen haben in einem Gesetzesentwurf die sofortige Einstellung der von der Polizei durchgeführten so genannten anlasslosen Moscheekontrollen gefordert. Diese seien integrationspolitisch kontraproduktiv, verfassungswidrig und würden Muslime unter Generalverdacht stellen.

„Diese Kontrollen sind ein Eingriff in die ungestörte Religionsausübung und haben bisher keinerlei Erfolge gebracht“, sagte der innenpolitische Sprecher Ralf Briese gestern in Hannover. „Sie werden von den Gläubigen als Generalverdacht empfunden und wirken diskriminierend!“

Der Grünen-Politiker wies darauf hin, dass „diffuse Massenkontrollen ohne konkreten Tatverdacht nicht mit den Grundrechten vereinbar“ seien. Briese verwies dazu auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes; mehrfach sei dort anlasslosen Kontrollmaßnahmen „eine klare Abfuhr erteilt“ worden. „Die Polizei darf nur bei einer konkreten Verdachtslage entsprechende Maßnahmen durchführen.“

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Die gesetzliche Grundlage
Grundlage dieser und ähnlicher verdachtsunabhängigen Kontrollen ist § 12 Abs. 6 Nds. SOG, die ersatzlos gestrichen werden müsse. Dieser sieht vor, dass Kontrollen im öffentlichen Verkehrsraum zum Zwecke der Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug, durchgeführt werden können. Es ist notwendig, dass diese Kontrollen anhand von kriminalistischen Lagebildern hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und es sich regelmäßig um Straftaten von erheblicher Bedeutung und mit internationalem Bezug handelt.

Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Beteiligung unbeteiligter Dritter geringfügig bleibt, wenn also nach dem Versuch der Identitätsfeststellung keine Folgeeingriffe folgen und die Belastung der unbeteiligten Dritten angemessen ist. „Hieran bestehen bei den Massenkontrollen erhebliche Zweifel. Die Belastung der übergroßen Zahl der unschuldigen Gläubigen ist schon deshalb nicht angemessen und zu rechtfertigen, da sie in ihrem Grundrecht aus ungestörte Religionsausübung verletzt werden“, so die Landtagsfraktion der Grünen in der Antragsbegründung.

Unverhältnismäßig und verfassungswidrig
Das Beispiel vom 29. Mai 2009 in Braunschweig (wir berichteten) und auch der weiter zurückliegende Fall, bei dem die kontrollierten Personen einen Stempel auf den Arm bekommen haben, hätten allerdings gezeigt, dass die Angemessenheit der Belastung der Gläubigen keinesfalls verhältnismäßig im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn und die konkreten Erfolge von solchen Massenkontrollen sind.

Denn die konkreten Ergebnisse, die durch die Kontrollen seit dem Jahr 2003 erzielt wurden, würden nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Rechtmäßigkeit entsprechen. In der Begründung heißt es weiter: „Es ist nicht sicher, ob es sich bei Festnahmen und Strafanzeigen im Rahmen der Kontrollen auch um Straftaten von erheblicher Bedeutung gehandelt hat. Wenn also, wie der Innenminister in der Beantwortung einer dringlichen Anfrage in der Plenarsitzung am 27. 08.2009 selbst dargestellt hat, die Ergebnisse sich im Wesentlichen auf Ordnungswidrigkeiten, auf behördliche Aufenthaltsersuche und Ausschreibungen zur polizeilichen Beobachtung und weit weniger um Festnahmen und Strafanzeigen bzgl. allgemeiner oder organisierter Kriminalität, beziehen, ist die Anwendung einer solchen Kontrollmaßnahme nicht gerechtfertigt.“

Die Exekutive habe bisher nicht einmal ansatzweise deutlich machen können, dass durch die Kontrollen Terroristen oder Sympathisanten abgeschreckt geschweige denn festgenommen werden konnten. „Aus polizeitaktischer Perspektive muss es darüber hinaus als naiv erscheinen, anzunehmen, dass sich potenzielle Gefährder oder terroristische Sympathisanten vor oder in einer Moschee treffen, um über Terroranschläge zu diskutieren“, so die Landtagsgrünen.

Integrationspolitisch kontraproduktiv
Die ungezielten Kontrollen seien für ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen kontraproduktiv. Die Grünen weiter: „Die Kontrollen laufen den Bemühungen und Zielen einer gelingenden Integration zuwider, da sie einen Generalverdacht gegen eine Religion zumindest im Empfinden der Gläubigen untermauert. Wenn aber die Kontrollen desintegrierend und segregierend wirken und damit ein Auseinanderdriften der Gesellschaft bewirken wirken sie nicht gefahrabwehrend.“

In einem früheren Interview mit MiGAZIN hatte sich die Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat bereits gegen verdachtsunabhängige Moscheekontrollen ausgesprochen. Der erzielte Nutzen stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand und dem angerichteten Vertrauensschaden unter den Muslimen. „Ich halte die Kontrollen integrationspolitisch für absolut kontraproduktiv und sicherheitspolitisch für zwecklos. Minister Schünemann hat sich zwar auf sein Türschild auch den ‚Integrationsminister‘ geschrieben, aber der ‚Innenminister‘ steht absolut im Vordergrund. Dieses Deckmäntelchen nimmt ihm doch niemand ab“, sagte Polat.

Ähnlich sieht es auch der innenpolitische Sprecher Ralf Briese: „Mit den Kontrollen zeigt Innenminister Schünemann erneut sein ’sonderbares Verfassungsverständnis‘. Der Begriff Freiheit ist dem Minister offenkundig fremd. Er kennt nur Verdacht und Kontrolle. Die Moscheekontrollen vergiften das Klima zwischen Muslimen und den Polizeibehörden und vertiefen die Gräben zwischen den Kulturen und Religionen. Damit muss Schluss sein!“