Türkische Presse Europa

09.06.2009 – Wahlergebnisse, Visum, Schengen, Soysal

Die Aufmerksamkeit der türkischsprachigen Medien in Europa gehört heute voll und ganz zwei Themen: Die irritierenden Aussagen der Deutschen Botschaft in Ankara zur Umsetzung des Soysal-Urteils und die weitere Auswertung der Europa-Wahl.

Deutsche Botschaft irritiert in Visa-Angelegenheiten
Die Mitteilung der deutschen Botschaft in Ankara über die visafreie Einreise nach Deutschland hat in der türkischen Presse für Irritationen gesorgt. Darüber berichten heute ausnahmslos alle türkischsprachigen Zeitungen in Europa. Die SABAH fragt „Wie nochmal? Wir haben es nicht verstanden“ und weist auf die aus ihrer Sicht nach missverständlichen Aussagen aus der deutschen Botschaft in Ankara der letzten Tage hin.

Diese hatte vor einigen Tagen die Umsetzung des „Soysal“-Urteils in einer Pressemitteilung der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei riet die Botschaft Angehörigen der in Frage kommenden Berufsgruppen, eine „Bescheinigung über die visumfreie Einreise“ bei den deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei zu beantragen. Nun irritierte der Deutsche Botschafter in Ankara, Eckart Cuntz, in einem Pressegespräch mit türkischen Pressevertretern. Er wies darauf, dass die Bescheinigung keine rechtliche Aussagekraft hätte und nur eine Erleichterung an den Grenzübergängen darstellen könnte. Ähnliches berichten auch TÜRKIYE und MILLIYET.

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Die HÜRRIYET bewertet die Entwicklung als eine Durchbrechung des Schengener Abkommen. Mit der Entscheidung des EuGH würden die Visumsbestimmungen von 11 Schengen-Staaten, darunter Deutschland, weitestgehend beschränkt werden. Nun müssten auch in den restlichen Schengen-Staaten eine Angleichung stattfinden, da die Schengener Bestimmungen nun sowieso schon zu Gunsten der Türkei durchbrochen worden sind.

Die ZAMAN kritisiert derweil die angekündigte Umsetzung. Danach hänge es nun vom kulturellen Wissen des Grenzbeamten ab, ob ein Künstler visafrei einreisen darf, oder nicht. Während Cuntz darauf hinweist, dass alle zuständigen Stellung von der neuen Regelung informiert seien, weist die Zeitung darauf hin, dass die Verantwortlichen an den Flughäfen von einer Änderung keine Kenntnis hätten und weiterhin wie bisher verfahren wollten.

Türkischstämmiger Wähler hat geschlafen, der Rassist hat profitiert

Mit dieser Schlagzeile kritisiert die SABAH die geringe Wahlbeteiligung von türkischstämmigen Wählern bei den Europawahlen in den Niederlanden. Nur ein Viertel aller Wahlberechtigten wäre zur Urne gegangen. Davon hätten besonders die Rassisten um Geert Wilders profitiert.

Weiterhin weist SABAH auf den einzigen gewählten Europa-Abgeordneten aus Deutschland mit türkischem Hintergund hin. Ismail Ertuğ (SPD) wird als einziger Abgeordneter mit Migrationshintergrund in das europäische Parlament einziehen. Ertuğ bedankt sich in der Zeitung bei seinen Wählern und stellt klar, er werde nicht vergessen, dass er ein Arbeiterkind sei.

Auch HÜRRIYET berichtet von der Wahl Ertuğs und weist darauf hin, dass voraussichtlich mit der Niederländerin Emine Bozkurt nur zwei türkischstämmige Abgeordneten im gesamten Europäischen Parlament vertreten sein werden. Die ZAMAN geht jedoch vom Einzug von insgesamt vier Abgeordneten aus.

Die MILLIYET weist in ihrem Beitrag auf den Absturz der SPD bei den Europa-Wahlen hin. Während die SPD insgesamt die gleiche Zahl an Mandanten erreicht hätte, könne sie sich wegen der Verluste von sieben Prozent nicht freuen. Auch die CDU hätte keinen Grund zur Freude. Auch ihr Stimmanteil hätte abgenommen, trotz der Kampagne mit der „privilegierten Mitgliedschaft„.

Keinen Grund zu Befürchtungen sieht die TÜRKIYE. So hätte sich der Wahlerfolg der Rechtsradikalen in den Niederlanden in den anderen Ländern nicht wiederholt.

Wahlen zu den Regionalparlamenten in Belgien

SABAH, TÜRKIYE und ZAMAN berichten außerdem über die Wahlen zu den Regionalparlamenten in Belgien. In die neuen Parlamente werden auch sechs türkischstämmige Abgeordneten einziehen. Drei werden in Zukunft dem flämischem, die restlichen dem Hauptstadt-Parlament angehören. Unter den Abgeordneten ist auch die Kopftuch tragende Mahinur Özdemir, die für die Christdemokraten kandidiert hat.