Chancengleichheit

Integration über Bildungsteilhabe

Seit Jahrzehnten kommen mehr Zuwanderer nach Deutschland als Babys zur Welt. Der Anteil der Migranten beträgt in Deutschland rund 20 Prozent. „Das ist aus der demografischen, aus der ökonomischen und aus der gesellschaftlichen Sicht ein sehr hohes Gewicht“, betont Ilona Riesen vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

Integration müsse in erster Linie über Bildung ermöglicht und gefördert werden, ist die Bildungsforscherin überzeugt. Dass etwa jeder fünfte Bewohner Deutschlands einen Migrationshintergrund hat, spiegele sich im Bildungssystem nicht wieder. „Und wenn man diese Gruppe außer Acht lässt und einfach nur die Bildungsarmut außer Acht lässt, dann werden wir am Schluss noch mehr Unqualifizierte haben und noch mehr Schwierigkeiten haben, sie im Arbeitsmarkt einzusetzen“, warnt Riesen.

Dabei bemängelt sie besonders die fehlende Chancengleichheit von Migrantenkindern im Bildungswesen: „Egal, welchen Bereich man sich anguckt – also, ob es Kindergarten ist, Schule oder später – sind die Betreuungsquoten oder Besuchsquoten von Kindern mit Migrationshintergrund immer niedriger als diejenigen von deutschen Kindern oder ursprünglich deutschen Kindern. Im Kindergarten fällt das auch schon bei unter 3jährigen auf oder gerade bei unter 3jährigen auf. Da sind nämlich so ungefähr 11 Prozent der unter 3jährigen mit Migrationshintergrund, die betreut werden in Kinderkrippen, bei Kindern ohne Migrationshintergrund sind das 24 oder 25 Prozent.“ In der Grundschule merke man dann die Unterschiede zwischen Migrantenkindern und der Nicht-Migranten-Kindern soweit, „dass die Leistungen sich einfach anfangen zu unterscheiden. Also nicht nur sprachliche Leistungen, sondern auch Mathematik, Naturwissenschaften natürlich weniger, aber auch in allen Bereichen unterscheiden sie sich, was natürlich nicht zuletzt auch auf die sprachlichen Defizite zurückzuführen ist.“

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In Studien wie der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung, kurz IGLU, würden diese Leistungsunterschiede immer wieder bestätigt. „Die Schere klafft dann immer weiter auseinander, indem die Kinder mit Migrationshintergrund eher auf die Realschule beziehungsweise auf die Hauptschule verwiesen werden.“ So sei der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in den Hauptschulen doppelt so hoch wie von Kindern ohne Migrationshintergrund. „In Realschulen unterscheidet sich das nicht, aber in Gymnasien ist das dann wieder umgekehrt.“ Kurzum: Je höher die Bildungseinrichtung, desto geringer der Ausländeranteil.

Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse
Riesen fordert zudem die Lockerung Zuwanderungskriterien für Hochqualifizierten. Die Anzahl der Hochqualifizierten, die nach der neuen Gesetzgebung nach Deutschland kommen, sei derzeit kaum quantifizierbar. „Also, das ist ein so geringer Anteil, es hat einfach kein Gewicht auf dem Arbeitsmarkt.“ Außerdem stünden sie oft vor dem Problem, dass ihre Abschlüsse gar nicht oder allenfalls zum Teil anerkannt werden. Generationen von Akademikern haben diese Erfahrung schon machen müssen. Ein politischer Fehler, der dringend korrigiert werden muss, fordert Ilona Riesen.

„Mit dem Anerkennungsgesetz hoffen wir zumindest für die Neueinwanderer und für die Einwanderer, die noch nicht so lange in Deutschland sind, diese Brücke zu schlagen, dass man die mitgebrachten Qualifikationen durch Feststellung der tatsächlichen Qualifikationen hier verwerten kann und irgendwie begutachten und verschriftlichen kann, weil es für den deutschen Arbeitsmarkt eben wichtig ist. Weil viele Unternehmer achten eben darauf, dass die Qualifikation in Deutschland in irgendeiner Weise anerkannt ist.“