Europäischer Gerichtshof

Ungarn verletzte wesentliche Grundsätze des EU-Asylrechts

Ungarn hatte 2015 das Asylrecht massiv eingeschränkt und Flüchtlinge an der Grenze in „Transitzonen“ untergebracht. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof entschieden: Ungarn hat damit gegen wesentliche Grundsätze des EU-Asylrechts verstoßen. Kipping fordert Blick auf ganz EU.

Ungarn hat mit der Haft von Flüchtlingen an der serbisch-ungarischen Grenze gegen wesentliche Grundsätze des europäischen Asylrechts verstoßen. Weder hat Ungarn ausreichende Möglichkeiten für die Stellung eines Asylantrags geschaffen, noch hatten Flüchtlinge die Gelegenheit, gegen ablehnende Asylentscheidungen rechtlich vorzugehen, urteilte am Donnerstag die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. (AZ: C-808/18)

Der Balkanstaat hatte 2015 das Asylrecht drastisch eingeschränkt. So wurden an der serbisch-ungarischen Grenze „Transitzonen“ geschaffen, in denen die Asylverfahren durchgeführt wurden. Die nationalen Bestimmungen sahen vor, dass im Fall einer „durch eine massive Zuwanderung herbeigeführten Krisensituation“ Sonderregelungen in Kraft traten, die das Asylrecht weiter einschränkten.

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EU-Kommission: Faktische Inhaftierung

Die EU-Kommission warf Ungarn einen Verstoß gegen das EU-Asylrecht vor und zog vor den EuGH. Die Transitzonen stellten faktisch eine Inhaftierung der Menschen dar, lautete der Vorwurf. Auch die Praxis, dass in Ungarn aufgegriffene schutzsuchende Flüchtlinge an der ungarisch-serbischen Grenze zwangsweise hinter einen Zaun gebracht wurden, so dass sie nur noch nach Serbien zurückkehren konnten, sei nicht mit dem Recht auf Asyl vereinbar.

Der EuGH hatte bereits am 14. Mai 2020 die Einrichtung der Transitzonen als unzulässige Haft für Flüchtlinge beanstandet und die Hürden für die Stellung eines Asylantrags für rechtswidrig erklärt (AZ: C-924/19 PPU). Daraufhin wurden die Transitzonen geschlossen.

Gegen Asyl-Grundsätze verstoßen

Nun bestätigte auch die Große Kammer des EuGH, dass Ungarn gegen wesentliche Grundsätze des EU-Asylrechts verstoßen hat. Faktisch hätten Flüchtlinge mit Ausnahme in den Transitzonen keine Möglichkeit gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Die Unterbringung in den Transitzonen stellte zudem eine Haft dar. EU-Recht erlaube eine Inhaftierung aber nur in bestimmten Fällen, etwa bei Fluchtgefahr oder aus Gründen der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung.

Außerdem beanstandeten die Luxemburger Richter, dass Ungarn Flüchtlinge, die sich illegal im ungarischen Hoheitsgebiet aufgehalten haben, zwangsweise abgeschoben habe. Die betroffenen Menschen hätten keine Gelegenheit gehabt, von Ungarn aus gegen die Rückführung rechtlich vorzugehen.

Linke: Urteil gilt auch für EU-Außengrenzen

Linke-Vorsitzende Katja Kipping begrüßte das Urteil, forderte aber, auch die Asylpolitik der Europäischen Union insgesamt in den Blick zu nehmen. Das Urteil gelte „in abgeschwächter Form, für Europas Außengrenzen generell. Schmutzige Deals mit Autokraten, die ,Pushback‘-Praxis bei Frontex, die Behinderung der Seenotrettung und vieles mehr läuft gerade darauf hinaus, Menschen davon abzuhalten, Asylanträge zu stellen.

Ich würde mir wünschen, dass das EuGH auch dazu ein deutliches Wort spricht“, so Kipping. Auch wenn Ungarn ein „besonders schwarzes Schaf“ in der Asylpolitik sei, so sei die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union doch auch insgesamt „kein Ruhmesblatt“. (epd/mig)