Alibi-Politik

Kranke Kinder aus griechischen Camps in Deutschland angekommen

Weitere 28 geflüchtete Kinder aus griechischen Lagern sind in Deutschland angekommen. Menschenrechtler werfen Bundesinnenminister Seehofer Alibi-Handeln vor. In den Lagern lebten Tausende Menschen mit Verletzungen und Behinderungen.

In Deutschland sind weitere besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus griechischen Lagern angekommen. Wie das Bundesinnenministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte, trafen am Morgen 28 kranke Kinder mit ihren Kernfamilien am Flughafen Hannover ein. Mit den 121 Neuankömmlingen wurden damit in diesem Jahr laut Ministerium bislang 347 Personen, darunter 53 unbegleitete Minderjährige und 68 kranke Kinder, per Flugzeug von Griechenland nach Deutschland gebracht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte angekündigt, 243 kranke Kinder einschließlich ihrer Kernfamilien aus Griechenland zu übernehmen. Die Übernahmen folgen einem Koalitionsbeschluss vom März und sind Teil einer europäischen Aktion. Sie solle in den nächsten Wochen abgeschlossen werden, erklärte das Ministerium. Einen ersten Flug mit 47 Kindern und Jugendlichen nach Deutschland hatte es im April gegeben. Die am Mittwoch eingetroffenen Personen sollen zunächst in neun Bundesländern untergebracht werden.

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Seehofer bleibt bei seinem „Nein“

Zusätzliche Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern in Griechenland will Seehofer offenbar nicht nach Deutschland holen. Er befürchte einen nicht zu unterschätzenden „Pull-Effekt“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Darunter versteht man, dass sich durch die Aufnahme von Geflüchteten weitere Asylsuchende gezielt auf den Weg nach Deutschland machen könnten.

Seehofer zeigte zwar Bereitschaft, sich mit seinen Innenministerkollegen aus Berlin und Thüringen zu treffen, die eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland fordern. Zugleich stellte er aber klar, dass der Bund über die Aufnahme entscheide: „An dieser Grundregel werde ich nichts ändern.“

Alibi-Politik

Menschenrechtsorganisationen werfen dem Bundesinnenminister Alibi-Handeln vor. In den Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos leben derzeit einem Bericht des Mainzer Arztes Gerhard Trabert zufolge mehrere Tausend Menschen mit schweren Kriegsverletzungen oder Behinderungen. Die EU-Staaten müssten diese Menschen dringend herausholen, forderte er.

Der Vorsitzende des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland“ war zuletzt im August nach Griechenland geflogen. Sowohl aus dem EU-Flüchtlingsrecht als auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe sich eine besondere Fürsorgepflicht für Menschen mit Behinderung. Davon sei auf Lesbos aber nichts zu spüren. Insbesondere Deutschland stehe in der Pflicht, sagte Trabert: „Da muss das reichste Land einfach vorneweg gehen.“ In dem ursprünglich für 3.000 Menschen ausgelegten Lager Moria auf Lesbos halten sich derzeit schätzungsweise 15.000 Flüchtlinge auf. (epd/mig)