Berlin

Projekt zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte gestartet

Berlin war die Metropole des deutschen Kolonialreichs, doch diese Geschichte spielt in der Gegenwart keine große Rolle. Ein neues Projekt soll das nun ändern. Und zur Übernahme von Verantwortung für die Folgen der Kolonialzeit beitragen.

Das Afrikanische Viertel im Wedding, die Sarotti-Höfe in Kreuzberg, die koloniale Weltordnung als Häuserschmuck am Ermelerhaus in Mitte, die erste deutsche Kolonialausstellung 1898 im Treptower Park: In Berlin gibt es zahlreiche Orte, die mit der deutschen Kolonialgeschichte, mit der Ausbeutung der fernen Länder und auch mit dem Sklavenhandel verbunden sind. Nun soll ein großangelegtes Projekt die Aufarbeitung vorantreiben. Am Freitag wurde es vorgestellt.

Neben dem Land Berlin beteiligen sich daran die Kulturstiftung des Bundes, das Stadtmuseum Berlin und mehrere Initiativen, darunter der Verein Berlin Postkolonial und die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. In den kommenden Jahren stünden dafür rund drei Millionen Euro zur Verfügung, sagte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Zwei Drittel der Mittel kommen vom Land Berlin, die Kulturstiftung des Bundes steuert eine Million Euro bei. Das zu Jahresbeginn gestartete Projekt soll zunächst fünf Jahre laufen.

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Ziel sei, die Kolonialgeschichte zu dokumentieren und ihre Folgen für die Gegenwart in den Blick zu nehmen, sagte Lederer. Dazu gehöre neben Fragen der Rückgabe von Kulturgütern und der Aufarbeitung der Herkunft von Museumsbeständen auch, die Grundlagen der heutigen weltweiten Wirtschaftsbeziehungen zum Thema zu machen und Schlussfolgerungen für die globalen Verhältnisse zu ziehen. Berlin spiele dabei als frühere Hauptstadt und Metropole eines Kolonialreichs eine besondere Rolle.

Kolonialgeschichte kaum beachtet

Die deutsche Kolonialgeschichte habe über lange Jahre hinweg nicht den öffentlichen Stellenwert bekommen, den das Thema verdiene, betonte der Senator. Dies hänge zum Teil auch mit einer mangelnden Bereitschaft zusammen, Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen. Im Fokus der Öffentlichkeit stehe bislang vor allem die Rückgabe von Kulturgütern, sagte Lederer: „Das ist eine Verengung.“

Das Modellprojekt soll auch innovative Präsentationsformen für die Geschichte entwickeln, sagte Lederer: „Das ist neu.“ Vergleichbare Vorhaben gebe es bisher nicht, sagte die künstlerische Leiterin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers. Das Projekt sei deshalb „ein ganz großer Glücksfall“, das Vorbild für weitere Städte werden könnte. Auch andere Orte in Deutschland könnten miteinbezogen werden.

Online Übersicht über Orte

Im Rahmen des Projekts für ein postkoloniales Erinnern in der Stadt soll auch eine Online-Übersicht über Orte mit Verbindungen zur deutschen Kolonialgeschichte entstehen. Für diese Web-Kartierung seien bereits rund 300 Orte in Berlin im Blick, hieß es. Geplant sei auch eine Internetdokumentation mit mehr als 1.000 Orten der weltweiten kolonialen Verbindungen Berlins.

Ein Beirat deutscher und internationaler Wissenschaftler unter anderem aus Namibia, der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika, begleite das Projekt, hieß es. Das Thema soll auch mit Festivals und anderen Veranstaltungen in die verschiedenen Berliner Stadtteile getragen werden. Ziel sei, den gesamten Stadtraum in die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte miteinzubeziehen, sagte der Sprecher der Projektträger, Tahir Della. (epd/mig)