Scharfe Kritik

EU-Fördergelder für Zwangsarbeit in Eritrea?

Eine Straße soll Frieden fördern und Arbeitsplätze schaffen, um letztlich Flucht zu verhindern. Doch die Strecke von Eritrea nach Äthiopien bauen vor allem Frauen und Männer, die den vorgeschriebenen lebenslangen Nationaldienst ableisten.

Die Straße könnte als Friedenszeichen gewertet werden. Sie verbindet die über Jahrzehnte verfeindeten Nachbarländer Eritrea und Äthiopien. Doch die Strecke auf eritreischer Seite, die jetzt mit EU-Geld wiederhergestellt wird, verdeutlicht die Grausamkeit der Diktatur in dem Land: Sie entsteht vor allem durch Zwangsarbeit.

Insgesamt 80 Millionen Euro hat die EU-Kommission dafür bewilligt. Die Mittel stammen aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika, der 2015 aufgesetzt wurde, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Sehr viele der Flüchtlinge, die nach Deutschland und Europa kommen, stammen aus Eritrea. Jedes Jahr fliehen Zehntausende Menschen aus dem ostafrikanischen Land. Anfang 2019 zahlte die Kommission 20 Millionen Euro für den Straßenbau, Ende 2019 bewilligte sie weitere 60 Millionen.

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Scharfe Kritik von Menschenrechtlern

Laut EU-Kommission soll das Projekt den Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea fördern und Arbeitsplätze schaffen. Doch Menschenrechtler kritisieren die EU-Hilfe scharf. „Uns beunruhigt vor allem, dass die EU zum ersten Mal eingeräumt hat, dass es im Zusammenhang mit dem Projekt Zwangsarbeit geben könnte“, sagt Laetitia Bader von Human Rights Watch. „Und zwar durch Nationaldienstleistende in Eritrea.“

Eritrea gilt als eine der härtesten Diktaturen der Welt. In dem Fünf-Millionen-Staat sind Männer und Frauen lebenslang zum Nationaldienst verpflichtet. Nach der militärischen Ausbildung werden sie beliebig eingesetzt, beispielsweise in der Armee, als Lehrer, im Straßenbau oder als Landarbeiter. Einen freien Arbeitsmarkt gibt es praktisch nicht, weil die gesamte Bevölkerung zum Dienst gezwungen ist.

Friedensnobelpreis für Abiy

Die Regierung unter Präsident Isayas Afewerki hat den Dienst lange mit einem drohenden Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien begründet. Doch in Äthiopien haben sich die politischen Verhältnisse stark verändert, seit Abiy Ahmed im April 2018 Ministerpräsident wurde. Im Juli desselben Jahres unterzeichneten Abiy und Afewerki einen Friedensvertrag. Die Grenze zwischen den Ländern wurde geöffnet, allerdings nach wenigen Monaten von Eritrea aus nach und nach wieder geschlossen.

Abiy wurde 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, Afewerki aber nicht mit bedacht, weil in Eritrea alles beim Alten blieb. Auch die Zahl der Fliehenden ging nicht zurück. Nach Einschätzung Baders hat sich die Lage sogar verschlimmert. Im September 2019 wurden sieben konfessionelle Schulen beschlagnahmt, nachdem zuvor laut der katholischen Kirche bereits fast 30 kirchliche Kliniken und Apotheken enteignet worden waren.

Lebenslanger Nationaldienst

Trotz des Friedensvertrages mit Äthiopien hält die eritreische Regierung am lebenslangen Nationaldienst fest. Er bringe die Bevölkerung in Arbeit, heißt es zur Begründung. Diese Perspektive scheint sich die EU-Kommission zu eigen zu machen. Kommissionssprecherin Ana Pisonero erklärte Mitte Januar vor Journalisten in Brüssel: „Sie wissen ja selbst, dass die Schaffung von ausreichend Jobs eine der Bedingungen dafür sein wird, dass wir Eritrea dabei helfen können, den unbegrenzten Charakter seines Nationaldienstes zu reformieren.“

Zwar verurteile die EU Menschenrechtsverletzungen grundsätzlich und werte den zeitlich unbegrenzten Nationaldienst als Verstoß gegen die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, sagte Pisonero. „Aber wir müssen auch deutlich sagen, dass die Politik der Isolierung, die wir in der Vergangenheit verfolgt haben, nicht funktioniert hat.“

Keine Überwachungsmöglichkeit

Menschenrechtlerin Bader sieht aber zudem das Problem, „dass es keine Möglichkeit gibt, die Verwendung der EU-Mittel durch eine unabhängige Stelle zu überwachen“. Schließlich genehmige die eritreische Regierung Fahrten außerhalb der Hauptstadt Asmara nur äußerst widerwillig. Dem widersprach eine EU-Sprecherin: Die EU mache sich regelmäßig ein Bild von der Lage, durch den Dialog mit ihren eritreischen Partnern und die Inspektion des gelieferten Baumaterials, teilte sie dem „Evangelischen Pressedienst“ mit. Im vergangen Jahr seien außerdem drei Ortsbesuche gemacht worden, „ohne dass unnormale Arbeitsbedingungen beobachtet worden wären“.

Die EU hat dafür gesorgt, etwas Abstand zwischen sich und das Projekt zu bringen: Umgesetzt wird es vom Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (Unops). Auf die Kritik von Menschenrechtsaktivisten betonte die EU denn auch, sie zahle nicht für die Arbeit, sie zahle nur für Ausrüstung und technische Geräte. (epd/mig)