Dialog

Juden und Muslime sitzen in einem Boot

Juden und Muslime sind und werden Minderheiten in diesem Land bleiben. Damit formieren sich gemeinsame Interessen. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Faktor beim jüdisch-muslimischen Dialog.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland startet ein jüdisch-muslimisches Dialogprojekt mit dem Ziel, Austausch zu fördern und Gespräche über gesellschaftlich relevante Fragen für beide Communities zu führen. Der jüdisch-muslimische Dialog soll durch innovative Gesprächsformate neu gedacht, wenn nicht wiederbelebt werden.

Ich habe sehr gemischte Gefühle dabei, wenn man sich in einen Stuhlkreis setzt und gegenseitig aufzählt, welche Gemeinsamkeiten man so hat und wie schön es doch wäre, wenn alle miteinander in Toleranz und Harmonie leben könnten. Im Volksmund nennt man so etwas „Friede, Freude, Eierkuchen“ mit wenig Output und viel emotionalem Geplänkel. Dabei wird im Hintergrund ein bisschen Klezmer gespielt oder ein alevitischer Nationaltanz aufgeführt.

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Damit das beide Gruppen kein Schwein essen und an einen Gott glauben, kommt man nicht weit. Die Diversität innerhalb der Communities ist ebenso eine Herausforderung. Trotz einiger negativer Erfahrungen und der Schwierigkeiten bei interreligiösen und interkulturellen Dialogen halte ich sie dennoch als existenziell für beide Communities.

Juden und Muslime sind und werden Minderheiten in diesem Land bleiben. So viel auch AfD-Propheten vom Untergang des Abendlandes erzählen, bleiben diese religiösen Minderheiten stets in der Unterzahl, womit sich unmittelbar gemeinsame Interessen formieren.

Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Faktor beim jüdisch-muslimischen Dialog. Die Interessenslagen bei beiden Gruppen sind in vielen Fragen sehr ähnlich bis hin zu identisch. Als Politikberater kann ich ganz nüchtern von einer Win-Win-Situation sprechen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Im Urwald gibt es Regeln und auch bei Dialogformaten gibt es rote Linien für beide Gruppen, die nicht überschritten werden können. Gegenseitige Anerkennung ist das Mindestmaß für Dialog. Dabei muss offensichtlich klar sein, dass ich nicht von der jeweiligen Gruppe erwarten kann, das Narrativ des anderen sofort anzunehmen. Entscheidend ist es verbal abzurüsten und einigen Dingen eine gewisse Akzeptanz zu geben.

Juden und Muslime haben keine Zukunft in Deutschland, wenn ihnen nicht ganz schnell klar wird, dass sie in einem Boot sitzen. Der ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis hatte sich sehr intensiv, um diesen Austausch bemüht. Es war für ihn offensichtlich klar, dass die gemeinsame Herausforderung im Umgang mit Rechtsextremismus in der Gesellschaft nur gemeinsam und nie gegeneinander geschähen kann.

Was nicht minder wichtig ist, dass die Initiative für einen Dialog aus den Communities selbst kommt. Das ist sehr wichtig für die Reichweite und die Akzeptanz unter Juden und Muslimen. Es ist sehr begrüßenswert, dass die jeweiligen Organisationen miteinander kommunizieren und nicht übereinander sprechen.

Scheitern muss hier ebenso Teil des Konzepts sein. Man braucht sich nicht viel vorzumachen. Die Meinungsunterschiede zwischen Juden und Deutschland sind enorm in Hinblick auf die Ereignisse im israelisch-palästinensischen Konflikt, der längst auf den deutschen Straßen angekommen ist.

Dennoch darf man sich bewusst nicht der Versuchung hinreißen, in diesen Konflikt zu fliehen und von den vielen enormen Herausforderungen unseres Landes abzulenken. Den Beteiligten muss bewusstwerden, dass die AfD kein Phänomen ist, sondern ein Symptom dieser Gesellschaft, in der Rassismus und Antisemitismus stark verwurzelt sind.

Die AfD wird bei Muslimen nicht stehenbleiben. Ihre vermeintliche Liebe zu Juden und Israel kann nicht ernstgenommen werden, wenn man sich die Aussagen führender AfD-Funktionäre über die deutsche Geschichte anschaut.

Ein Bekannter von mir ist Palästinenser und Gastronom. In seinem Café sprechen wir immer über die traurigen Ereignisse in Israel und Palästina. Wir sind zwar oft nicht einer Meinung, aber akzeptieren uns als Menschen mit eigenen Perspektiven. Er sagte mir, was sehr Prägendes: „Die werden es da im Süden schon untereinander klären. Viel mehr Sorgen macht es mir, was mit uns hier passiert. Danke euch Juden, dass ihr uns zu Seite standet, als es um die Beschneidungsdebatte ging. AfD geht uns alle was an.“

Der persische Dichter und Philosoph Rumi hatte vor hunderten Jahren die beste Devise für Dialoge formuliert: „Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort. Hier können wir einander begegnen.“

Schalom und Salam!