Marrakesch-Konferenz

Rückzug Brasiliens überschattet UN-Migrationsgipfel

Kurz vor Abschluss der Marrakesch-Konferenz zum UN-Migrationspakt kam ein neuer Dämpfer: Brasiliens künftige Regierung will ebenfalls ausscheren. Unterdessen betont das Bundesverfassungsgericht die Unverbindlichkeit des Dokuments.

Der angekündigte Rückzug Brasiliens vom UN-Migrationspakt hat am Dienstag den Abschluss des zweitägigen Gipfeltreffens der Vereinten Nationen in Marrakesch überschattet. Der designierte brasilianische Außenminister Brasiliens, Ernesto Araújo, hatte über Twitter verkündet, die Regierung des künftigen Präsidenten Jair Bolsonaro werde sich vom Migrationspakt abwenden. Der rechtsextreme Bolsonaro tritt am 1. Januar das höchste Staatsamt Brasiliens an. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte betonte, eine Zurückweisung des Migrationspakts befreie keinen Staat von seinen bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, die der Pakt nur bekräftige.

So hätten Migranten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen, auch ihr Schutz sei völkerrechtlich verbindlich garantiert, sagte der Direktor des Hochkommissariats, Craig Mokhiber. Es sei eine kleine Minderheit von Staaten, die abseits stünden. Er äußerte die Hoffnung, dass auch Staaten wie die USA, Ungarn oder Brasilien den Pakt mittelfristig unterstützen würden. Ähnlich sei es in der Vergangenheit etwa beim UN-Abkommen für die Rechte indigener Völker gewesen: „Regierungen ändern sich, Politik ändert sich, die Zeiten ändern sich.“

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Das Bundesverfassungsgericht hat unterdessen die Unverbindlichkeit des UN-Migrationspaktes betont. Sowohl der UN-Migrationspakt als auch der UN-Flüchtlingspakt stellten keine verbindlichen völkerrechtlichen Verträge dar, sondern enthalten nur politische Selbstverpflichtungen, erklärten die Karlsruher Verfassungsrichter in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss.

Merkel warb für das Dokument

Damit scheiterten 13 Personen mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, doch noch die Beitrittserklärung Deutschlands zu den Pakten zu stoppen. (AZ: 2 BvQ 105/18 und weitere). Der Flüchtlingspakt soll am Montag von der UN-Vollversammlung in New York verabschiedet werden.

Der Migrationspakt umfasst Ziele und Prinzipien für eine sichere, geordnete und reguläre Migration. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in einer kämpferischen Rede für das Dokument geworben. Der Pakt war am Montag von 164 Staaten angenommen worden. Die Vereinten Nationen haben 193 Mitgliedsländer.

Deutschland soll Vorreiter werden

Am zweiten Tag und letzten Tag des Marrakesch-Gipfels wurde über die Umsetzung des Migrationspakts diskutiert. Dabei seien auch schon erste finanzielle Zusagen gemacht worden, bestätigte ein UN-Sprecher dem „Evangelischen Pressedienst“, ohne Details zu nennen.

Vertreter der Zivilgesellschaft forderten, die Bundesregierung möge eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung des Migrationspakts in Europa einnehmen. In der derzeitigen Situation sei ein gemeinsames Vorgehen der EU unrealistisch, sagte Jonas Wipfler vom katholischen Hilfswerk Misereor dem „Evangelischen Pressedienst“. Er sprach sich für eine Koalition williger EU-Staaten aus, die etwa mit humanitären Korridoren die schwierige Lage für Migranten in Ländern wie Libyen erleichtern könnten.

Rolle von Frauen

Mehr als 600 Organisationen unterzeichneten ein Manifest für eine führende Rolle von Frauen bei der Umsetzung des Migrationspakts. Derzeit trügen vor allem Frauen die negativen Folgen der bisherigen Migrationspolitik, kritisierte eine Sprecherin. Gebraucht würden etwa sichere Fluchtwege für Frauen, die die Hälfte der weltweit auf 277 Millionen geschätzten Migranten weltweit ausmachten.

Der UN-Migrationspakt soll lebensgefährliche und chaotische Migration durch internationale Kooperation verhindern. Nach einer Präambel und sieben Leitprinzipien werden dafür 23 Ziele aufgeführt. Ob und wie diese Ziele umgesetzt werden, ist alleine den Nationalstaaten überlassen. Die UN-Vollversammlung soll den Migrationspakt am 19. Dezember formal beschließen. Die nötige Zweidrittel-Mehrheit gilt als sicher. Im Frühjahr 2019 sollen die UN-Staaten dann zusammenkommen, um Mechanismen zur Überprüfung der Umsetzung des Migrationspakts zu beraten. (epd/mig)