Längst ist durch zahlreiche Korrespondenztests bekannt, dass Menschen die Murat statt Christian (Lindner) heißen eher keine Wohnung, eher keine Arbeit und deshalb eher kein gutes Leben führen können. Dabei ist es im Übrigen fast egal, ob Murats Eltern Kittel, Robe oder Blaumann tragen. Wer in dieser Gesellschaft als „sichtbarer Migrant“ betrachtet wird und dann noch aus bescheidenen Verhältnissen stammt, startet ins Leben mit zwei blauen Augen. Doch wer ist schuld daran?
Wir neigen in einer postmodernen Zeit dazu, die Probleme zu privatisieren. Wer keinen Job oder eine Wohnung erhält, ist selbst schuld. Der Versuch der Privatisierung zeigt sich jetzt auch in den Reaktionen auf die „MeTwo“-Debatte. Doch sie setzt dieser Privatisierung ein kleines Ende. Das ist ihr größter Erfolg – auch wenn so manch einer den erlittenen Rassismus leugnet. So viele unterschiedliche und doch ähnliche Erfahrungen können einfach nicht die Schuld von einzelnen Personen sein. Das müsste jeder begreifen.
Allerdings gilt auch: Die Dopamin-Explosion in den sozialen Medien reicht nicht, die wir durch jeden Like unserer Posts erhalten, um nachhaltig etwas zu verändern. Wir müssen Menschen auch in der richtigen Welt für die Ideen einer offenen Gesellschaft gewinnen. Vielleicht hätte Karl Marx dazu passender formuliert: Die Menschen haben die „MeTwo“-Debatte nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, die Welt zu verändern. Das bedeutet letztendlich auch: in die Parteien eintreten, Vereine unterstützen, auf Demos gehen, Begegnungen mit allen progressiven Kräften schaffen. Worauf warten wir noch?