Kritik aus Ankara

Nordrhein-Westfalen will Erdogan-Auftritt in Deutschland verhindern

Nordrhein-Westfalen will einen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan in Deutschland verhindern. Scharfe Kritik kommt aus Ankara, die Türkische Gemeinde in Deutschland ist ebenfalls gegen ein Verbot.

Nordrhein-Westfalen hat die Bundesregierung aufgefordert, einen Auftritt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland zu verhindern. „Es ist Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, dass solche Auftritte weder in NRW noch irgendwo anders in Deutschland stattfinden“, sagte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) dem Kölner Stadt-Anzeiger. Scharfe Kritik ernten Jägers Äußerungen in Ankara. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland lehnt ein Veranstaltungsverbot ab.

Jäger betonte, es müsse verhindert werden, dass innertürkische Konflikte in Deutschland ausgetragen werden. „Die Freiheit der Meinungsäußerung hier darf nicht missbraucht werden, um für eine Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, mit der Grundrechte eingeschränkt und die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollen“, sagte der Minister.

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Scharfe Kritik aus Ankara

Scharfe Kritik ernteten die Diskussionen um ein mögliches Verbot in Ankara. Der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu rief die deutsche Politik zu mehr Sachlichkeit und Selbstreflexion auf. Es stimme nicht, dass mit der Verfassungsänderung „die Todesstrafe wiedereingeführt“ werde. „Anstatt sich in Verbreiten von ‚Fake-News‘ zu üben und offenbar schon in Wahlkampfmanier die deutsche Öffentlichkeit in die Irre zu leiten, sollte Jäger vorerst seine eigenen Hausaufgaben machen“, so Yeneroğlu. „Seit vielen Jahren tragen insbesondere in Nordrhein-Westfalen Nebenorganisationen der verbotenen Terrororganisation PKK ungehindert innertürkische Konflikte auf deutschen Straßen und Plätzen aus, spalten die Gesellschaft, werben für den PKK-Terror, rekrutieren Terroristen und sammeln Geld zur Finanzierung von blutigen Terroranschlägen“, kritisierte der AKP-Politiker.

Viele der etwa 1,5 Millionen türkeistämmigen Wähler in Deutschland hätten „aufgrund restriktiver und ewiggestriger Einbürgerungspolitik“ kein Wahlrecht in Deutschland, erklärte Yeneroğlu. Aus demokratischer Sicht sei es „nicht nur geboten, sondern Pflicht, sie in den politischen Meinungsbildungsprozess – ob in Deutschland oder in der Türkei – einzubeziehen.“

Türkische Gemeinde gegen Verbot

Gegen ein Verbot sprach sich auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, aus. Die deutsche Demokratie halte das aus. „Erdoğan muss aber akzeptieren, dass er in Deutschland kritisiert wird und dass seine Kritiker keine Heimatverräter oder Terroristenschützer sind“, sagte Sofuoğlu der Rheinischen Post.

Der Gemeinde-Vorsitzende geht davon aus, dass der türkische Staatschef zwischen dem 27. März und dem 9. April nach Deutschland kommt. „In dieser Zeit können die im Ausland lebenden Türken ihre Stimme zum Referendum der Verfassungsänderung abgeben“, sagte er. Das Boulevardblatt Bild hatte berichtet, der Deutschland-Besuch Erdogans solle Ende März erfolgen.

Der türkische Präsident will mit der Verfassungsreform das parlamentarische System in seinem Land durch ein Präsidialsystem ersetzen. Bei dem Referendum dürfen auch in Deutschland lebende Türken abstimmen. Am Wochenende hatte bereits der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım vor Landsleuten in Oberhausen für die Verfassungsreform geworben. (epd/mig)