Vergeltung

Ausländer in Köln angegriffen

In Köln haben Türsteher, Rocker und Hooligan Ausländer angegriffen, um die Silvesternacht zu rächen. Muslime beklagen neue Hassdimension. Und ausgerechnet Horst Seehofer ruft zur Besonnenheit und Differenzierung auf.

Nach den Attacken auf Ausländer in Köln verstärkt die Polizei ihre Einsatzkräfte in der Innenstadt. Man werde in der nächsten Zeit mit „sehr sehr starken Kräften, die weit über das Normalmaß hinausgehen“, präsent sein, sagte der Leiter der Direktion Gefahrenabwehr, Michael Temme, am Montag. „Dabei werden wir alle rechtlichen und personellen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, ausnutzen.“ Hooligans, Rechtsradikale und Rocker aus der Türsteherszene hatten sich am Sonntagabend verabredet, um in der Kölner Innenstadt auf Menschenjagd zu gehen.

Bei den Zwischenfällen gehe es eindeutig um „fremdenfeindliche Straftaten“, sagte der Leiter der Direktion Kriminalität, Norbert Wagner. Insgesamt seien vier Angriffe gezählt worden. Dabei seien Migranten afrikanischer, pakistanischer und syrischer Herkunft geschlagen und getreten worden. Zwei der Opfer seien im Krankenhaus behandelt worden.

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In einer nichtöffentlichen Facebook-Gruppe hatte es geheißen, nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln wolle man ordentlich aufräumen. Ob der Aufruf im Zusammenhang mit den Angriffen steht, war zunächst nicht klar. In der Silvesternacht hatte ein Mob junger Männer am Kölner Hauptbahnhof zahlreiche Frauen sexuell belästigt und bestohlen. Inzwischen liegen über 500 Strafanzeigen vor. Unter den Verdächtigen sind auch viele Flüchtlinge.

Muslime beklagen „neue Dimension des Hasses“

Der Zentralrat der Muslime beobachtet nach den Übergriffen in der Silvesternacht eine „neue Dimension des Hasses“ auf Muslime. Der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, seit Jahresbeginn habe die Zahl der Anfeindungen und Drohungen gegen seinen Verband zugenommen. Allein am vergangenen Donnerstag, als bekanntwurde, dass es sich bei einigen mutmaßlichen Tätern um Asylbewerber aus muslimischen Ländern handelt, seien in der Geschäftsstelle des Islamverbands 50 Drohanrufe sowie Hunderte Hassmails und -briefe eingegangen – so viele wie sonst in zwei Wochen.

Übergriffe haben Meinung über Ausländer verändert

Die Übergriffe auf Frauen in Köln haben einer Umfrage zufolge bei der Mehrheit der Deutschen (60 Prozent) die Meinung über Ausländer nicht verändert. Dagegen gaben 37 Prozent der Befragten in einer am Sonntagabend in Köln veröffentlichten Forsa-Umfrage an, sie hätten nach den Übergriffen eine kritischere Meinung. Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) befürchten den Angaben zufolge, dass durch die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge die Kriminalität zunimmt. 40 Prozent teilen diese Sorge nicht.

Frauen fühlen sich der Umfrage zufolge auch nach den massenhaften Übergriffen mehrheitlich sicher (59 Prozent) oder sehr sicher (28 Prozent) in ihrer Stadt. Dagegen gaben elf Prozent der Befragten an, sich weniger sicher zu fühlen. Drei Prozent fühlen sich an ihrem Wohnort überhaupt nicht sicher.

Seehofer warnt vor Polarisierung der Gesellschaft

Angesichts dieser Entwicklungen warnte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor Schwarz-Weiß-Malerei beim Thema Flüchtlinge. Dem Thema werde man nur mit Differenziertheit gerecht, sagte Seehofer am Montag in München. Die Polarisierung der Gesellschaft vor allem nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln nehme besorgniserregend zu. Er sei strikt gegen eine „Olympiade der Parolen“, wie sie etwa „Pegida“ jetzt zunehmend betreibe, betonte der CSU-Chef. Rechtsextremismus müsse massiv bekämpft werden. Dabei hatten Politiker seiner Partei nach Bekanntwerden der Übergriffe in Köln den Migrationshintergrund der Tatverdächtigen betont. (epd/mig)