Rekord-Asylzahlen

Ministerium rechnet mit 800.000 Anträgen

Einer neuen Prognose zufolge wird die Zahl der Asylbewerber im laufenden Jahr 800.000 erreichen. Flüchtlingsorganisationen rufen die Regierung zu mehr Engagement auf und warnen vor Panikmache. Opposition fordert bereinigte Schutzquoten – auch wenn diese der Regierung nicht schmecken.

In Deutschland werden 2015 voraussichtlich so viele Asylbewerber ankommen wie nie zuvor in einem Jahr. Einer am Mittwoch vom Bundesinnenminister Thomas de Maiziére vorgestellten neuen Prognose zufolge könnte die Zahl der Asylbewerber im laufenden Jahr bis zu 800.000 erreichen. Im Frühsommer war das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch von bis zu 450.000 Asylanträgen für das laufende Jahr ausgegangen.

Bereits in den ersten sieben Monaten dieses Jahres haben dem Ministerium zufolge mehr Menschen Asyl beantragt als im ganzen Jahr 2014. Wie aus der Monatsstatistik des Ministeriums hervorgeht, haben von Januar bis Ende Juli rund 218.000 Menschen einen Antrag auf Asyl gestellt. Davon waren etwa 196.000 Erstanträge. Für das Jahr 2014 lag die Zahl der Asylanträge bei insgesamt rund 203.000. Allein im Juli gingen der Statistik zufolge rund 37.500 Asylanträge ein. Rund 34.400 Menschen stellten dabei erstmals einen Antrag auf Asyl. Die Monatsstatistik wurde turnusgemäß vorgelegt.

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Pro Asyl: Keine Panikmache

Angesichts dieser Zahlen fordert die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl mehr finanzielles Engagement des Bundes. Der Bund müsse dringend zusätzliche Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge übernehmen, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Es müsse Schluss sein mit Notunterkünften und Provisorien wie Zeltstädten in abgelegenen Gebieten und auch Schluss mit Panikmache. Es dürfe keinen Rollback in der Flüchtlingspolitik geben – hin zu Abschottung und Abschreckung.

Eine ähnliche Warnung spricht auch der Deutsche Landkreistag aus. „Wir sollten jetzt mit Augenmaß handeln und schrille Töne vermeiden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands, Hans-Günter Henneke, am Mittwoch in Berlin. Es sei richtig, dass man bei Unterbringung und Betreuung vor großen Herausforderungen stehe. „Dennoch gilt es, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern und nicht zu gefährden“, ergänzte Henneke.

Hauptherkunftsland Syrien

Hauptherkunftsland der Flüchtlinge ist nach wie vor Syrien. Asylsuchende aus dem Bürgerkriegsland erhalten in aller Regel den Flüchtlingsstatus. Unter den Hauptherkunftsländern waren erneut auch die Balkanstaaten Albanien, Serbien, Mazedonien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Asylbewerber aus diesen Ländern gelten in der Regel nicht als politisch verfolgt. Viele Flüchtlinge kamen zudem erneut aus Afghanistan, dem Irak und Eritrea.

Entschieden hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Angaben zufolge im Juli über rund 22.700 Anträge. Knapp 38 Prozent der Antragsteller (rund 8.500 Menschen) erhielten den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention. Rund 300 weitere Antragsteller erhielten subsidiären Schutz oder es wurde ein Abschiebeverbot für sie verhängt.

Linke fordern realistische Schutzquoten

Scharfe Kritik erntet die Bundesregierung von der Linkspartei. „Wenn die Bundesregierung schon ihre Asylprognose den Realitäten anpasst, sollte sie auch realistische Zahlen zur Anerkennungsquote im Asylverfahren veröffentlichen“, fordert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei. Denn würden formelle Entscheidungen, die nichts über die Schutzbedürftigkeit der Menschen aussagen, herausgerechnet, ergebe sich eine Gesamtschutzquote von derzeit 47,8 Prozent. So berechne auch die EU-Statistikbehörde Eurostat ihre Quoten, nur die Bundesregierung nicht. „Anerkennungen durch die Gerichte kommen noch hinzu, etwa zehn Prozent aller Klagen gegen ablehnende Bescheide sind erfolgreich“, so Jelpke.

Mit der bereinigten Anerkennungsquote verliere „die verhetzende Parole vom angeblich massenhaften Asylmissbrauch“ jegliche Grundlage. Diese Quote belege, „dass deutlich mehr Flüchtlinge durchaus plausible Fluchtgründe haben, als die Bundesregierung mit der sonst vom ihr genannten Quote“ glauben machen möchte, so die Linkspolitikerin. (epd/mig)