Dokumentiert

Pro Asyl wirft Bulgarien Foltermethoden bei Flüchtlingen vor

Ein „erschreckendes Ausmaß an erniedrigender und unmenschlicher Behandlung“ wirft Pro Asyl Bulgarien im Umgang mit Flüchtlingen vor. Die Organisation fordert die Regierung auf, Abschiebungen in das Land zu stoppen.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wirft Bulgarien einen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen vor. Laut einer am Donnerstag von Pro Asyl in Berlin vorgestellten Dokumentation gibt es in bulgarischen Flüchtlingsunterkünften ein „erschreckendes Ausmaß an erniedrigender und unmenschlicher Behandlung“. Als Beispiele werden Misshandlungen durch Fußtritte und Stockschläge, Knüppeleinsätze, Nahrungsentzug und Vergewaltigung genannt. Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sprach sogar von Folter. Er fordert, Abschiebungen nach Bulgarien einzustellen.

Das Papier beruft sich auf Schilderungen von Flüchtlingen, die über Bulgarien nach Deutschland gereist sind und nun hoffen, hier einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Burkhardt sagte, die Schilderungen der Flüchtlinge zeigten ein Muster. Die Schutzsuchenden seien geschlagen und erniedrigt worden mit dem Ziel, ihre Fingerabdrücke zu nehmen und die Identität von Schleusern herauszubekommen. Damit sei die Grenze zwischen Erniedrigung und Folter überschritten.

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Menschenrechtler und Flüchtlingsorganisationen warnen seit langem vor den Bedingungen für Flüchtlinge in Bulgarien. Auch das südosteuropäische Land verzeichnet einen Anstieg der Flüchtlingszahlen: Stellten 2012 nach Angaben von Pro Asyl noch knapp 1.400 Menschen einen Antrag auf Asyl, waren es 2014 mehr als 11.000. Mehr als die Hälfte davon seien Syrer.

Flüchtlinge, die über Bulgarien in die EU kommen, müssen nach der Dublin-Regel dort ihren Asylantrag stellen. Reisen sie weiter nach Deutschland, können sie wieder dahin abgeschoben werden, auch wenn sie in Bulgarien bereits als Flüchtling anerkannt wurden. Laut Pro Asyl versuchen die deutschen Behörden das auch: 2014 sollten rund 4.400 Flüchtlinge nach Bulgarien überstellt werden. Abgeschoben wurden tatsächlich aber den Angaben zufolge nur 14. Viele Gerichte hätten die Abschiebungen verhindert.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, die Dokumentation beweise erneut, dass es Zeit sei, über das Dublin-System zu reden. Man dürfe nicht nur eine numerische Verteilung im Blick haben, sondern müsse politische Realitäten im Blick haben. In Bulgarien bekämen die Menschen einen Flüchtlingsstatus, würden dann aber auf die Straße gesetzt. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Flüchtlingsschutz in der EU einheitlich ist“, sagte Lilie.

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), betonte erneut seine Kritik am Dublin-System. Er forderte, dieses Verfahren auszusetzen, „solange es keine einheitlichen Anerkennungsverfahren gibt und die Qualifikationsrichtlinie nicht überall einheitlich umgesetzt wird“. Strässer versprach, die Themen in der Bundesregierung und im Bundestag auf die Tagesordnung zu bringen. Zentral sei für ihn die Frage, wie in Europa mit anerkannten Flüchtlingen und dem Dublin-System umgegangen werden soll.

Zudem forderte er Aufklärung über die Verwendung von EU-Mitteln zur Verbesserung der Flüchtlingssituation in besonders belasteten Staaten. Es seien Millionen, wenn nicht gar Milliarden Euro aus Strukturmittelfonds in die Verbesserung der Lebensbedingungen in Bulgarien, Rumänien und andere Länder geflossen, sagte Strässer. Sein Eindruck sei aber, dass es an vielen Punkten nicht für diesen Zweck ausgegeben wurde. Er verwies dabei auf die EU-Agentur zur Unterstützung in Asylfragen, EASO, die gegründet wurde, um besonders belasteten Staaten unter die Arme zu greifen. (epd/mig)