Interkulturelle Öffnung

Integrationsbeauftragte fordert spezielle Pflege von Migranten

Bis 2030 wird die Zahl der Migranten über 60 Jahre nach Schätzungen voraussichtlich auf bundesweit 2,8 Millionen steigen. Daher müssen sich die Pflegeinstitutionen entsprechend auf diesen Zuwachs einstellen. Konkrete Vorschläge zur Veränderung gibt es bereits.

Die Berliner Integrationsbeauftragte Monika Lüke sieht bei Migranten einen wachsenden Bedarf für spezielle Pflegeangebote. Schon jetzt habe fast jeder zehnte Berliner (9,5 Prozent), der 65 Jahre oder älter ist, einen Migrationshintergrund, erklärte Lüke am Dienstag bei der Vorstellung eines Gutachtens zur interkulturellen Altenpflege. Deshalb kämen auf die Mitarbeiter von Hilfs- und Pflegediensten neue Herausforderungen zu.

Das Gutachten bemängelt unter anderem die fehlende „interkulturelle Öffnung“ von Pflegeinstitutionen. Neben der Kenntnis anderer Sprachen gehöre dazu etwa das Wissen über spezielle Ernährungs- und Pflegegewohnheiten und die Religion in bestimmten Kulturräumen. „Als alter Mensch möchte ich mich wohlfühlen und Vertrauen haben und nicht ständig auf der Hut sein müssen“, sagte Lüke. Die Pflegedienste müssten auf diese Bedürfnisse künftig verstärkt eingehen. Die muttersprachliche Verständigung sei insbesondere für Demenzkranke wichtig, da sie zunehmend in der Vergangenheit lebten und ihre Zweitsprache verlernten, hieß es.

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Nach Schätzungen von Fachleuten wird die Zahl der Migranten über 60 Jahre bis 2030 auf bundesweit 2,8 Millionen steigen. Das von der Integrationsbeauftragten in Auftrag gegebene Gutachten empfiehlt unter anderem bessere Beratungsangebote für pflegebedürftige Migranten und deren Angehörige, die Stärkung der Selbsthilfeeinrichtungen und Migrantenorganisationen sowie mehr interkulturelle Kompetenz bei den Pflegediensten und muttersprachliche Angebote. Die Studie basiert vor allem auf Interviews mit Akteuren und Betroffenen.

Konkret wird empfohlen, Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. Zudem sollte die interkulturelle Kompetenz und sogenannte Biografiearbeit mit den zu Pflegenden zur Ausbildung gehören. Laut Studie übernehmen derzeit in Migrantenfamilien noch häufig die Ehepartner, Töchter und Söhne die Pflege, nicht selten unter Einschränkung der eigenen Berufstätigkeit.

In einer Anfang November veröffentlichten Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege und der Berliner Charité äußerten knapp die Hälfte (48 Prozent) der türkischstämmigen hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, dass sie sich im Alltag nicht ausreichend unterstützt fühlen. Befragt wurden in der nicht repräsentativen Untersuchung Migranten aus der Türkei im Alter zwischen 59 und 88 Jahren im Raum Berlin. 37 Prozent von ihnen bewerteten ihre Pflegesituation als unzureichend oder zumindest als teilweise unzureichend (elf Prozent). (epd/mig)