Privatisierung im Asylbereich

Das Geschäft mit den Flüchtlingen

Die Tendenz zur Privatisierung im Asylbereich scheint sich auszuweiten: Was in München im Gespräch ist, gehört in vielen Bundesländern bereits zur gängigen Praxis. Doch sind gewinnorientierte Unternehmen in einem so empfindlichen Bereich wirklich tolerierbar?

Outsourcing der besonderen Art: Privatfirmen übernehmen vermehrt in Flüchtlingsheimen die Betreuung von Asylbewerbern. So versorgt in München neuerdings ein Schweizer Unternehmen die 350 Bewohner eines Aufnahmelagers. In anderen Bundesländern ist die gewinnorientierte Versorgung längst Alltag. Sachsen gilt als Spitzenreiter: Hier werden nach Zeitungsrecherchen 64 Prozent der Heime von Privatfirmen betrieben.

Seit Anfang September ist das Schweizer Unternehmen ORS in Deutschland tätig. Die private Firma ist einer der größten Player im internationalen Geschäft der Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden. Über eine neu gegründete deutsche Tochtergesellschaft betreibt ORS seit kurzem das Flüchtlingsheim in der ehemaligen Funkkaserne in München. Dort ist sie für die komplette Versorgung vom Wachdienst über die Küche bis hin zum Sprachunterricht und Freizeitangeboten zuständig.

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Neu sei nur, sagt ein Sprecher des zuständigen Ministeriums, dass die Dienstleistungen aus einer Hand erbracht würden. Eine Ausschreibung habe es nicht gegeben. Das „Pilotprojekt“ ist zunächst auf ein Jahr befristet.

ORS erklärt auf seiner Website: „Wir treten Asylsuchenden und Flüchtlingen respektvoll und unvoreingenommen gegenüber.“ Dabei spiele weder das Geschlecht noch das Alter, die Herkunft, Ethnie, Religion oder der Stand des Asylverfahrens eine Rolle. Man arbeite kostenbewusst und effizient: „Der Qualitäts- und Dienstleistungsgedanke ist wichtig.“ Das komme den Asylsuchenden zugute, ist man überzeugt.

Für Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat ist nicht die Trägerschaft einer Flüchtlingsunterkunft das Entscheidende, sondern wie die Betreiber mit den Asylsuchenden umgehen. „Es bleibt abzuwarten, wie das bei der Funkkaserne gehandhabt wird“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst.

In der Kaserne sollen 350 Asylsuchende untergebracht werden. Neu in Bayern ist, dass die Behörden den Betrieb der Flüchtlingsunterkunft an ein Privatunternehmen vergeben haben. In anderen Bundesländern ist das dagegen längst an der Tagesordnung: Außer in Sachsen gibt es etwa auch in Thüringen und Brandenburg private Betreiber.

In der Schweiz gängige Praxis
In der Schweiz ist das Unternehmen ORS, das mit 450 Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von 70 Millionen Franken (umgerechnet 58 Millionen Euro) aufweist, gut im Geschäft. Dort werden in sieben Bundeszentren und über 50 regionalen Unterkünften mehr als 4.500 Asylsuchende betreut. Seit 2012 ist die Firma auch in Österreich tätig und betreibt dort acht Aufnahmeeinrichtungen. Die ORS Deutschland GmbH existiert erst seit Ende August 2014.

In der Schweiz erhebt sich immer wieder Kritik an der gewinnorientierten Aktiengesellschaft und ihrem Geschäft mit Flüchtlingen. Im Mai 2012 organisierte das „Schweizer Komitee gegen Fremdenhetze und Asylbusiness“ eine Demonstration in Bern und kritisierte dabei die Bedingungen in der örtlichen Asylunterkunft und die Tendenz zur Privatisierung im Asylbereich. Gewinnorientierte Unternehmen seien in einem so sensiblen Bereich nicht wünschenswert, hieß es.

Baden-Württemberg setzt dagegen auf die alleinige Betreuung der Flüchtlinge unter staatlicher Regie. „Das halten wir prinzipiell für richtig“, sagt der Geschäftsführer des Landesflüchtlingsrates, Andreas Linder. Der Vorteil: Bei Problemen habe man in den kommunalen Ämtern kompetente Ansprechpartner, die für den Betrieb und den Zustand der Häuser verantwortlich seien. Bei privat geführten Unterkünften bestehe immer die Gefahr, dass sie „nur im Mindeststandard verbleiben“. Und: Bei Schwierigkeiten habe man oft „schlechte Karten“, denn nötige Verbesserungen in der Unterbringung „kosten dann auch mehr Geld“. (epd/mig)