Vor rund einem Jahr beschloss die deutsche Innenministerkonferenz, 5000 syrische Flüchtlinge durch ein humanitäres Programm aufnehmen zu wollen. Sie reagierte damit auf öffentlichen Druck angesichts der Leiden, die syrische Asylbewerber auf ihrem Weg über Europas hoch gesicherte Außengrenzen auf sich nehmen müssen. Inzwischen wird deutlich, dass das nochmals erhöhte Kontingent von insgesamt 10,000 Plätzen nicht ausreicht.
Das aktuelle Programm konzentriert sich auf die Vergabe von Einreisevisa für Verwandte von in Deutschland lebenden Syrern. Dies ist ein sinnvoller Ansatz aber der Bedarf ist sehr viel größer, als die Anzahl zur Verfügung gestellter Plätze. Hier könnte tatsächlich mit geringem Aufwand mehr Hilfe geleistet werden. Bund und Länder beraten zurzeit, wie Betroffene zusätzlich aufgenommen werden können. Doch nicht nur die Anzahl auch die Art des momentan gebotenen Schutzes ist ungenügend. Denn jene, die durch das humanitäre Aufnahmeprogramm nach Deutschland kommen, werden im legalen Sinne nicht als Flüchtlinge anerkannt. Dass sie dadurch in Ungewissheit über ihre Zukunft leben müssen, ist unnötig.
Spricht man mit syrischen Flüchtlingen wird eines klar: Die meisten sind sehr dankbar für die Aufnahme in Deutschland und vermissen doch alle das Leben, das sie zurücklassen mussten. Sie machen deutlich, dass das Syrien, das sie kannten, nicht mehr existiert. Dass ihre Wohnhäuser und Geschäfte ruiniert, Freunde und Verwandte vertrieben oder getötet wurden, ist nur ein Aspekt. Die extremistischen Kriegsparteien haben die Gesellschaft zerstört, in der ein, wenn nicht freies so doch friedliches und gutes, Leben möglich war. Auch wenn die militärischen Konflikte beigelegt würden, betonen gerade Eltern, gibt es keine Perspektive mehr für sie in Syrien.
Die Vertriebenen versuchen, für sich und ihre Familien ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. Dabei ist es unverständlich, dass jene, die durch das humanitäre Bundesprogramm aufgenommen werden, nur eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Hingegen genießen Syrer, die in Deutschland Asyl beantragt haben, als anerkannte Flüchtlinge, mehr Rechte und vor allem einen auf Dauer angelegten Schutz.
In den Behörden geht man davon aus, dass eine Rückkehr nach Syrien auch in ein paar Jahren nicht möglich sein wird, und der befristete Aufenthalt entsprechend verlängert werden muss. Ein dauerhafter Aufenthaltsstatus wäre aber erst nach sieben Jahren möglich und dann nur bei Erfüllung hoher Auflagen. So leben die Geflohenen mit der Angst, dass sie irgendwann nach jahrelangem Einleben wieder abgeschoben und dass gerade wiedervereinte Familien getrennt werden könnten. Eine langfristige Unsicherheit für die Aufgenommenen ist daher abzusehen.
In gewisser Weise ist der temporäre Schutz in Deutschland ein Resultat der Situation im Libanon, wo die bisher aufgenommenen Syrer eine erste Zuflucht fanden. Die dortige Regierung versucht, angesichts bestehender politischer Spannungen, eine dauerhafte Ansiedlung der über 1 Millionen Syrer im Land zu verhindern. Syrer werden daher nach ihrer Ankunft im Libanon vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen registriert aber nicht wie andernorts üblich auf ihren Flüchtlingsstatus hin überprüft.
So ist auch der Flüchtlingsstatus jener Syrer nicht festgestellt worden, die von Deutschland aufgenommen wurden. Dabei ist es gleichgültig, ob sie über das Hochkommissariat vermittelt oder eigenständig mit einem Visum der deutschen Botschaft einreisen, wie es im neuen Programm favorisiert wird. In beiden Fällen wird lediglich eine Sicherheitsüberprüfung unternommen.
Die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen durch westliche Staaten, das sogenannte Resettlement, soll eigentlich eine dauerhafte Lösung für Flüchtlinge sein. Sowohl die Bundesregierung als auch die Vereinten Nationen weisen daher explizit darauf hin, dass es sich bei der Aufnahme der Syrer durch Deutschland nicht um Resettlement handelt.
Dennoch bleibt ein schaler Geschmack, wenn mit großem Aufwand ein Flüchtlingsprogramm aufgelegt wird, das nicht unbedingt zur Lösung der Flüchtlingssituation der Aufgenommenen führt. Tatsächlich sucht das Flüchtlingshochkommissariat inzwischen vermehrt nach dauerhaften Lösungen die jenseits der Herkunftsregion liegen.
So wird für das Resettlement von Syrern nun eine Flüchtlingsstatusdeterminierung vorgenommen, womit im Aufnahmeland die vollen Rechte als Flüchtlinge einhergehen. Das Hochkommissariat befürwortet allerdings auch humanitäre Programme wie Familienzusammenführungen, Studierendenvisa und medizinische Evakuierungen. Dass jene temporär sein können ist problematisch, nicht nur weil es das prinzipielle Ziel eines dauerhaften Flüchtlingsschutzes unterminiert.
Eine Befristung des Aufenthaltsstatus erwies sich schon früher als sehr prekär für Flüchtlinge. Temporärer Schutz führte in den 1990er Jahren, im Zuge der Jugoslawienkrise, zu desaströsen Situationen für Betroffene in Deutschland, die weder bleiben noch zurückkehren konnten. In einigen extremen Fällen wurden bosnische Flüchtlinge aufgrund ihres unsicheren hiesigen Status nochmals zu Flüchtlingen und von Deutschland in die USA umgesiedelt. Die aufgenommenen Syrer haben anders als die damals geduldeten Bosnier einen regulären Status, der ihnen für die befristete Zeit soziale Rechte einräumt, wie das Recht zu arbeiten, und zumindest eine potenzielle Perspektive. Doch mit Ablauf des Aufenthaltsstatus ist ein Abrutschen in einen dauerhaften Duldungszustand durchaus möglich, wenn Abschiebungshindernisse vorliegen. Eine Wiederholung der tragischen Geschichte jugoslawischer Flüchtlinge ist im Fall der Syrer wahrscheinlich, sollte der Aufenthaltsstatus nicht doch noch verstetigt werden.
Während die Aufnahme ohne Überprüfung des Fluchtgrundes durchaus als entgegenkommend bewertet werden kann, ist davon auszugehen, dass den Geflohenen regulär ein Flüchtlingsstatus zukommen würde, der nicht befristet wäre. Tatsächlich wäre in den aktuellen Fällen der humanitären Aufnahme die Überprüfung von Fluchtgründen nicht zwingend notwendig, um einen dauerhaften Aufenthalt zu gewähren. Als prima facie Flüchtlinge, bei denen aufgrund der allgemeinen Umstände der Flucht von berechtigten Fluchtgründen ausgegangen werden kann, könnte das Bundesinnenministerium den aufgenommenen Syrern einen dauerhaften Status oder gar eine Niederlassungserlaubnis erteilen. Dies wäre auf der gleichen rechtlichen Grundlage möglich (§ 23 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz), auf der bisher ein temporärer Status erteilt wird.
Insofern die Mehrheit der Deutschen der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen positiv gegenübersteht und allgemein von einem längeren Aufenthalt ausgegangen wird, scheint eine solche Lösung im Interesse nicht nur der Flüchtlinge zu sein.
Die momentane Situation bedeutet, dass der Flüchtlingsstatus jener Syrer, die durch das humanitäre Programm nach Deutschland gelangt sind, nie festgestellt wurde und sie hier insofern Asyl beantragen könnten. Angesichts der hohen Anerkennungsquoten ist es wahrscheinlich, dass sie den Flüchtlingsstatus und damit mehr Rechte und einen dauerhaften Aufenthalt erhalten würden. Doch für die Dauer des Verfahrens würden sie nicht nur momentane Rechte verlieren, zum Beispiel arbeiten zu dürfen, sondern auch mit der Angst leben müssen, eventuell abgelehnt zu werden.
Nur wenige werden momentan einen solchen Schritt unternehmen. Sollte der temporäre Schutz allerdings in ein paar Jahren nicht verlängert werden, könnte tausendfach Asyl beantragt werden. Wäre es daher nicht viel besser, allen Syrern, die durch das humanitäre Programm aufgenommen wurden, einen dauerhaften Aufenthaltsstatus automatisch und von Anfang an zu gewähren? Dies würde nicht nur Deutschlands Bereitschaft unterstreichen, geflüchteten Syrern langfristig Schutz zu bieten, sondern jenen auch eine neue und sichere Zukunft in Deutschland eröffnen.