Politiker und Behörden der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn sind bekannt dafür, sich im Zusammenhang mit Integrations- und Migrationsthemen oder im Bereich des Rechtsextremismus einen Fauxpas nach dem anderen zu erlauben. Was sich die Damen und Herren Verantwortlichen aber jetzt geleistet haben, sprengt alles Dagewesene.
Was ist passiert? Im Rahmen einer Großen Anfrage hatte sich die BIG Partei über die Bedeutung von Kultur und Religion bei der Vermittlung von Pflegekindern zu Pflegeeltern erkundigt. Darin wollte BIG unter anderem wissen, wie viele der Kinder und Jugendlichen bzw. der Pflegeeltern über einen Migrationshintergrund verfügen und welche religiösen Wurzeln sie haben.
Nicht muslimisch, sondern Islamistisch
In der bereits seit Oktober vorliegenden und jetzt bekanntgewordenen Antwort des Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch (SPD) hat die Verwaltung in einer tabellarischen Übersicht die kulturellen und religiösen Hintergründe aufgeführt. Danach haben 29 Pflegeelternpaare bzw. Einzelpersonen einen Migrationshintergrund, die insgesamt 63 Kinder betreuen.
In einer gesonderten Spalte ist zudem die Religion der Pflegeeltern und der -kinder aufgeführt, unterteilt in christlich, katholisch, evangelisch, freichristlich, baptistisch, buddhistisch und nicht muslimisch, sondern „islamistisch“!
Beliebigkeit der Begriffe
Für die BIG ist die Antwort des Oberbürgermeisters ein Beleg für „die Beliebigkeit des Begriffes „islamistisch“ hinsichtlich seiner Verwendung. Die Antwort verdeutliche, dass nicht nur in den Medien der Begriff „islamistisch“ häufig als Synonym für „islamisch“ verwendet werde. „Leider erfolgt die Wortbildung hierzulande, wenn es um Islam oder Muslime geht, sehr unwissend bis unsensibel“, bemängelt die BIG in einer dem MiGAZIN vorliegenden Stellungnahme.
Problematisch sei die Wortbildung, die solche Fehler hervorruft: „Obwohl Begriffe wie Katholizismus und Protestantismus wertfrei sind, wird mit der Verwendung des Begriffs Islamismus die Weltreligion Islam politisch instrumentalisiert. Durch die Ergänzung des Wortes „Islam“ durch „-ismus“ wird der Eindruck vermittelt, dass die Grenze zwischen Religion und dessen politischer Instrumentalisierung fließend und die Politisierung ein feststehender Bestandteil des Islam sei“, kritisiert die BIG.
Keine Einsicht
Durch diese Art der falschen Begriffsverwendung würden sowohl die Weltreligion Islam als auch Muslime aufgrund ihrer religiösen Identität unter Generalverdacht gestellt. Dass die in der Antwort vorliegende irrtümliche Verwendung des Begriffs weder vom Jugendamtsleiter noch von der Sozialdezernentin oder vom Oberbürgermeister beanstandet wurde, spreche für sich und zeige das Ausmaß dieses Problems. Deshalb fordert die BIG interreligiöse Schulungen von Führungskräften in der Verwaltung, damit solche Fehler künftig vermieden werden. Zudem sollte der Begriff „Islamismus“ generell aus dem Vokabular gestrichen werden.
Davon scheinen die im Bonner Stadtrat vertretenen Fraktionen aber weit entfernt zu sein. Bereits kurz nach Vorliegen der Antwort im Oktober hatte die BIG in der Sitzung des Integrationsrates den Wunsch geäußert, die Bezeichnung zu korrigieren. Darauf wartet die Partei heute noch. (es)