Optionspflicht

An jedem zweiten Tag wird ein Deutscher zum Ausländer

Seit Beginn dieses Jahres hat an fast jedem zweiten Tag ein Deutscher seine Staatsbürgerschaft aufgrund der umstrittenen Optionsregelung verloren. Das teilt die Bundesregierung auf eine Frage der Linksfraktion im Bundestag mit.

Allein seit Beginn der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen vor vier Wochen haben mehr als ein Dutzend Deutsche ihre Staatsbürgerschaft aufgrund der umstrittenen Optionspflicht verloren. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linksfraktion.

Zum Stichtag 7. November 2013 seien, so die Bundesregierung, im Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten 176 Optionspflichtige des Geburtsjahrgangs 1990 aufgeführt, bei denen der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt worden ist. Statistisch gesehen macht die Optionspflicht damit an fast jedem zweiten Tag einen Deutschen zu einem Ausländer. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine Mindestangabe handelt. Denn wie die Bundesregierung weiter mitteilt, sind diese Zahlen aufgrund des Meldeverhaltens nicht tagesaktuell.

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Eine Katastrophe
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dağdelen, ist das „für die Betroffenen eine Katastrophe und für den Rechtsstaat ein Skandal“. Diese Regelung müsse endlich weg. Denn in zehn Jahren werde das Optionsmodell voll zur Geltung kommen. Dann würden voraussichtlich zehnmal so viele Menschen betroffen sein.

„Es geht um Menschen, die als Deutsche in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Sie sollen im Erwachsenenalter die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verlieren, weil sie angeblich ihre Loyalität nicht unter Beweis stellen und ihre zweite Staatsangehörigkeit aufgeben. Das gilt allerdings nur bei bestimmten Staatsangehörigkeiten, insbesondere der türkischen“, so die Linkspolitikerin.

Selektive Politik
Tatsächlich gilt die Optionspflicht nur bei bestimmten Herkunftsgruppen. Während bei EU-Bürgern und Bürgern der Schweiz die doppelte Staatsbürgerschaft generell hingenommen wird, müssen Türken oder Chinesen sich vor ihrem 23. Lebensjahr für die deutsche Staatsbürgerschaft oder die ihrer Eltern entscheiden. Tun sie das nicht, verlieren sie den deutschen Pass kraft Gesetzes automatisch – selbst wenn sie in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Dabei liegt die Doppelpassquote selbst bei Neueinbürgerungen im Erwachsenenalter schon seit vielen Jahren bei mehr als 50 Prozent.

An der umstrittenen Optionspflicht und an der Vermeidung der doppelten Staatsbürgerschaften halten bisher einzig die Unionsparteien fest. Begründet wurde das über viele Jahre unter anderem mit möglichen Loyalitätskonflikten. Erst kürzlich lieferte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine neue Begründung: „Wenn wir Millionen von Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft geben, die sie weitervererben, werden wir eine dauerhafte türkische Minderheit in Deutschland haben“, so Friedrich. Er befürchte eine „langfristige Veränderung der Identität der deutschen Gesellschaft“. (bk)