„Willkommens- und Anerkennungskultur – Zusammenleben in Deutschland“: Unter diesem Motto stand die diesjährige Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten von Bund, Ländern und Kommunen am 13. und 14. Mai in Saarbrücken. In fünf Foren wurden unter anderem über die Integration von EU-Fachkräften, Willkommenskultur oder Fremdenfeindlichkeit diskutiert.
Überschattet wurden diese Themen aber von zahlreichen Medienberichten, wonach viele Migranten-Kinder nicht fit für die Schule seien aufgrund von unzureichenden Deutschkenntnissen. Welt Online etwa titelte, trotz sachlichem Beitrag, irreführend „Warum Migrantenkinder kein Deutsch mehr lernen“ und verwies auf einen Bild-Artikel. Darin wird die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), zitiert: „In einzelnen Ländern braucht fast jedes zweite Kind gezielte Sprachförderung. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Sie muss überall oberste Priorität haben.“
Eklusiv? Na klar!
Im Folgenden fasst Bild längst bekannte Auswertungen aus fünf Bundesländern zusammen, die ihr „exklusiv“ vorlägen. Zusammenfassend stellt das Boulevardblatt fest: „In vielen Zuwandererfamilien wird zu Hause kaum oder sogar kein Deutsch gesprochen. Folge: Die Sprachkenntnisse der Migranten-Kinder reichen nicht aus, um dem Schulunterricht folgen zu können.“ Auf Hintergründe und die Nennung von möglichen Ursachen verzichtet das Blatt.
Außen vor gelassen wird auch, dass mangelnde Deutschkenntnisse in einer Einwanderungsgesellschaft nicht nur nichts Ungewöhnliches sind, sondern allzu natürlich – auch und vor allem bei Kindern. Erst jüngst teilte das Statistische Bundesamt mit, das im Jahr 2012 so viele Menschen nach Deutschland eingewandert sind, wie seit 1995 nicht mehr.
Logischer geht’s kaum noch
Hintergrund dieses Anstiegs ist zum einen der Fachkräftemangel in Deutschland und die Finanzkrise in vielen europäischen Ländern. Diese Menschen sind „Willkommen“, teilt die Bundesregierung in immer kürzeren Abständen mit. Entsprechend wurden Gesetze gelockert, damit Deutschland noch attraktiver wird und noch mehr Menschen kommen.
Vergessen wird hierbei, dass Fachkräfte nicht allein kommen, sondern auch Frau und Kinder mitbringen. Dass diese Kinder keine perfekten Deutschkenntnisse im Gepäck haben, dürfte einleuchtend sein – sogar auf Anhieb. Dennoch zeigt man sich hierzulande „überrascht“, wenn die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in den Grundschulen mit unzureichenden Deutschkenntnissen steigt.
Was alles überrascht
Dabei ist es überraschend, wenn bemängelt wird, dass in vielen Familien zu Hause kaum Deutsch gesprochen wird. Dafür gibt es in den allermeisten Fällen zwei gute Gründe: Entweder sprechen die Eltern selbst kein oder nur mangelhaft Deutsch oder sie entscheiden sich bewusst für die Muttersprache.
Erstere tun gut daran, die Herkunftssprache zu präferieren. So bringen sie ihren Kindern kein falsches Deutsch bei. Denn das Ablegen einer falsch erlernten Sprache ist viel schwieriger, als der Spracherwerb ohne jegliche Vorkenntnisse. Das ist unter Sprachwissenschaftlern breiter Konsens. Im zweiten Fall handelt es sich um besonders bildungsaffine Eltern, deren Kinder meist im Kindergarten oder per Privatunterricht Deutsch lernen. Sie legen außerdem Wert auf die Muttersprache, damit ihr Kind bilingual aufwächst, was bekanntlich nur Vorteilhaft ist. Jedenfalls ist es in keinem Fall erlaubt, von der zu Hause gesprochenen Sprache vorschnelle Schlussfolgerungen ziehen, die Stereotype bedienen könnten.
Bild ist nicht Bildung, sondern Foto
Maria Böhmer selbst weist in Welt Online – erschienen ein Tag vor dem Bild-Artikel – explizit darauf hin, dass beim Spracherwerb der Fokus nicht mehr auf den klassischen Gruppen liegt, sondern auf Zuwanderern aus Süd- und Südosteuropa, wo die meisten der Neueinwanderer herkommen. Im Gegensatz zu Nicht-EU-Ausländern sind sie nicht verpflichtet, Deutsch zu lernen. „Das hat zur Folge, dass ihre bereits schulpflichtigen Kinder vollkommen überfordert sind“, führt Welt Online weiter aus. Ein 1+1=2-Prozess also, das allenfalls einen Vorwurf in Richtung Bundesregierung rechtfertigt, weil es sich nicht ausreichend auf die gewünschte Einwanderung vorbereitet hat.
Schade nur, dass diese Faktoren das Boulevardblatt Bild nicht davon abbringt, auf ein Foto zurückzugreifen, das geeignet ist, bekannte Klischees zu bedienen. Die subtile Botschaft ist klar: Eltern – vor allem Mütter mit Kopftuch – legen keinen Wert auf die Bildung ihrer Kinder. Dabei ist es die Bild selbst, die ihre Leser sträflich vernachlässigt, was Bildung angeht.