„Gebühren, die von einem türkischen Arbeitnehmer für Aufenthaltsdokumente erhoben werden, sind nicht mit dem Assoziationsrecht EWG-Türkei zu vereinbaren, wenn sie im Vergleich zu entsprechenden Gebühren für Unionsbürger unverhältnismäßig hoch sind.“ So lautet der Tenor einer Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 2013, dem ein Urteil vorausgegangen war (wir berichteten).
Dessen ungeachtet hält die Bundesregierung an der Gebührenpraxis fest. In einer Antwort auf eine schriftliche Frage der migrationspolitischen Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, das dem MiGAZIN vorliegt, teilt sie mit: „Die in Rede stehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wirkt grundsätzlich nur zwischen demjenigen, der in dem konkreten Fall als Kläger aufgetreten ist, und der Ausländerbehörde.“
Skandal
Für Dağdelen ist das „ein Skandal“. „Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass türkische Staatsangehörige jahrelang europarechtswidrig bei der Gebührenerhebung in den Ausländerbehörden abgezockt wurden. Und nun legt sie trotz eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin erst einmal die Hände in den Schoß“, so die Linkspolitikerin.
Die Leipziger Richter hatten über die Revision eines türkischen Staatsbürgers entschieden, der für einen Aufenthaltstitel 135 Euro zahlen musste; für einen vergleichbaren Aufenthaltstitel legen EU-Bürger nur 28,80 € auf den Tisch. Diese Praxis wurde bereits vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für rechtswidrig erklärt.
Andere EU-Länder haben bereits eingelenkt
Daraufhin haben die Niederlande und Dänemark bereits eingelenkt. Sie verlangen von türkischen Staatsangehörigen keine oder nur noch geringe Gebühren für Aufenthaltstitel. Auch das Bundesverwaltungsgericht verwies in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des EuGH.
„Die Bundesregierung sollte diesem Beispiel folgen und Rechtsstaatlichkeit nicht immer nur einfordern, sondern selbst an den Tag legen. Das Mindeste wäre, die Bundesländer darüber zu informieren, dass Aufenthaltsgebühren von türkischen Staatsangehörigen nur noch unter Vorbehalt erhoben werden dürfen“, erklärt Dağdelen. Die Erklärung des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts zum Urteil sei „eindeutig in generalisierender Weise formuliert“.
Sinnwidrig
Ähnlich argumentiert auch der Hamburger Rechtsanwalt, Ausländer- und Europarechtsexperten, Ünal Zeran. „Die Bundesregierung spielt auf Zeit“, sagte der Jurist dem MiGAZIN. Die Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts sei eindeutig und bedürfe keiner weiteren Interpretation. „Dies für eine Einzelfallentscheidung zu erklären, ist sinnwidrig“, so Zeran.
Der Jurist verweist auf die Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts. Dort steht: „Diese unionsrechtliche Begrenzung der Gebühren kommt über das Assoziationsrecht auch türkischen Staatsangehörigen zugute.“ Insofern wisse die Bundesregierung, dass türkische Staatsangehörige täglich bundesweit überhöhte Gebühren zahlen. „Als Vertragspartner des völkerrechtlichen Assoziationsabkommens hat sie für die Einhaltung der aus dem Abkommen resultierenden Rechte und Pflichten zu sorgen.“
Betroffene sollen Widerspruch einlegen
Eine europarechtskonforme Lösung sei nur über die Änderung der Gebührentatbestände der Aufenthaltsverordnung möglich. Bis das umgesetzt ist, werde es nach Einschätzung des Rechtsexperten „erfahrungsgemäß sehr lange dauern“. Um den politischen Druck zu erhöhen, empfiehlt er den Betroffenen, Widerspruch gegen die Gebühren zu erheben oder zu klagen, „um aus dem Einzelfall eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit zu machen. Die Betroffenen können sich auch an die EU Kommission wenden“. (es)