NSU-Terroristen

Vielleicht hätten sie aber auch nicht gefunden werden sollen.

Auch ein Jahr nach dem zufälligen Auffliegen des NSU-Terrors vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Details bekannt werden, die das Chaos bei den Sicherheitsbehörden vor Augen führen. So auch bei der NSU-Ausschusssitzung am Donnerstag.

„Einer hat gelogen“, so der NSU-Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Donnerstag bei der Zeugenvernehmung von Zielfahnder Sven Wunderlich vom Thüringer Landeskriminalamt (LKA). Seine und frühere Aussagen des ehemaligen Vizechefs des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Thüringen, Peter Jörg Nocken, standen klar im Widerspruch.

Edathy erinnerte Wunderlich an Nockens Ausführungen Mitte Januar im Ausschuss, wonach das LfV die Polizisten umfassend über seine Erkenntnisse zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unterrichtet habe. „Diese Aussage ist falsch“, konterte Wunderlich. Die Informationen des Geheimdiensts nannte er „gering, dünn und spärlich“. Die Herren vom LfV seien „sehr nett und freundlich“ gewesen, doch „man hat uns ausgetrickst“. Nützliche Hinweise für die Suche nach dem Trio habe man nicht erhalten.

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Junge Leute, die Blödsinn machen
Scharf kritisierte Wunderlich vor allem, dass der Geheimdienst die Zielfahnder nicht über das Bemühen der verschwundenen Zelle unterrichtet habe, sich Waffen zu beschaffen. Die Fahnder seien nämlich davon ausgegangen, dass es sich bei der Gruppe lediglich um junge Leute handele, „die in Garagen Blödsinn gemacht haben“. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren untergetaucht, als die Polizei im Januar 1998 in einer Jenaer Garage ihre Bombenbastler-Werkstatt entdeckt hatte.

Wiederholt betonte Wunderlich, er habe von 1998 bis 2001 nichts von einer bei der Garagendurchsuchung gefundenen Liste mit Telefonnummern zahlreicher Rechtsextremisten erfahren. Aus Sicht von Grünen-Obmann Wolfgang Wieland wäre diese Aufstellung ein „Sechser im Lotto für die Zielfahnder“ gewesen. Wunderlich sagte, er könne es sich „nicht erklären“, warum die LKA-Ermittler ihn darüber nicht in Kenntnis gesetzt hatten. Erstmals habe er dieses Papier in den Medien gesehen, „das war schon interessant“. Vor wenigen Tagen habe er bei einer erneuten Durchsicht seiner zwischen 1998 und 2001 angelegten Akten plötzlich doch die Adressenliste aus der Garage entdeckt. Edathy und mehrere Obleute äußerten den Verdacht, diese Akten könnten nachträglich „frisiert“ worden sein.

Nicht für Unruhe sorgen
Zum Erstaunen der Abgeordneten erläuterte Wunderlich, das LfV habe den LKA-Fahndern zu verstehen gegeben, sie sollten im rechtsextremen Milieu „nicht für Unruhe sorgen“. Er bestätigte eine Vermutung Edathys, bei solchen Personen „hatte der Verfassungsschutz den ersten Schuss und erst dann haben sich die Fahnder eingeschaltet“.

Wunderlich berichtete von einem Gespräch Mitte des vergangenen Jahrzehnts am Rande eines Festes mit dem ehemaligen LKA-Chef Egon Luthard. Dabei habe Luthard gesagt, man hätte die Untergetauchten wohl aufspüren können, „wenn alle an einem Strang gezogen hätten“ – vielleicht hätten sie aber auch nicht gefunden werden sollen. (hib/ck)