Maria Böhmer

„Die Sicherheitsbehörden sind in der Pflicht, das Vertrauen der Migranten zurückzugewinnen.“

20 Jahre nach Rostock appelliert Staatsministerin Böhmer: „Gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit auch im Alltag konsequent vorgehen!“ Vor allem sieht sie Polizei und Sicherheitsbehörden in der Pflicht.

Vor 20 Jahren ereigneten sich die wohl massivsten fremdenfeindlich motivierten Übergriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte – die Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992. Mehrere hundert rechtsextreme Randalierer beteiligten sich und bis zu 3.000 Zuschauer applaudierten den Tätern zu.

Ort des Geschehens war die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter. Die Ausschreitungen erreichten ihren Höhepunkt, als das sogenannte „Sonnenblumenhaus“ mit Molotowcocktails in Brand gesteckt wurde, während sich noch über 100 Vietnamesen darin aufhielten. Die Polizei zog sich zurück und überließ das brennende Haus sowie die Eingeschlossenen schutzlos sich selbst.

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Sicherheitsbehörden sind gefordert
Staatsministerin Maria Böhmer: „Die menschenverachtenden Ausschreitungen von Lichtenhagen sind uns eine deutliche Mahnung: Gegen Hass, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit muss konsequent vorgegangen werden. In erster Linie gilt dies für die Polizei und die Sicherheitsbehörden: Sie sind gefordert, unverzüglich einzuschreiten, wenn Menschen auch aufgrund ihrer Herkunft bedroht oder diskriminiert werden. Offensichtliches Versagen wie in Rostock darf sich niemals wiederholen! Die Migranten in unserem Land müssen sich auf das Funktionieren unseres Rechtsstaates verlassen können. Dies ist auch gerade vor dem Hintergrund der beispiellosen Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ von zentraler Bedeutung. Die Sicherheitsbehörden sind in der Pflicht, das Vertrauen der Migranten zurückzugewinnen.“

Gefordert sei aber auch jeder Einzelne: „Intoleranz und Rassismus äußern sich keineswegs ausschließlich in Gewalt. Gefährlich sind auch Vorurteile und dumpfe Parolen, die ein Klima der Verachtung von Minderheiten erzeugen. Umso wichtiger ist es, stets wachsam zu sein und rechtsextremistisches Gedankengut im Keim zu ersticken. Es gilt, nicht zuzulassen, wenn Mitmenschen im Alltag an den Rand gedrängt werden. Jeder von uns hat es in der Hand, sich tagtäglich für Toleranz sowie ein respektvolles Miteinander einzusetzen. Eine funktionierende Zivilgesellschaft ist der beste Schutz vor Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit“.

Wertschätzung und Zeichen des Willkommens
Notwendig sei ein gesellschaftliches Klima, das Menschen aus Zuwandererfamilien als Bereicherung, und nicht als Belastung ansieht. Migranten bräuchten ein deutliches Zeichen des Willkommens und der Wertschätzung. Die Politik und die Medien sind laut Böhmer besonderes gefordert: „Es gilt, verstärkt die Fähigkeiten und Kompetenzen von Migranten in den Blick zu rücken- in Worten und Bildern. Die wachsende Vielfalt muss in unserem Land als Normalität vermittelt werden. Hier sind auch die Arbeitgeber und insbesondere die Schulen in der Verantwortung. Die Botschaft lautet: Deutschland ist die Heimat von allen bei uns lebenden Menschen- unabhängig von ihrer Herkunft.“

Für Böhmer sind die Ausschreitungen in Rostock und die NSU-Mordserie „einschneidende Wegmarken“. Gleichwohl habe Deutschland in den vergangenen 20 Jahren oft bewiesen, dass die große Mehrheit für den Satz eintritt: Fremdenfeindlichkeit und Gewalt dürfen keinen Platz in unserem Land haben! „Hierfür stehen beispielsweise unzählige Gelegenheiten, bei denen Tausende friedlich gegen Rechts demonstriert haben. Ermutigend ist auch eine aktuelle Umfrage des ‚Stern‘, wonach die Ausländerfeindlichkeit so gering ist wie lange nicht. Dies sollte für uns alle Ansporn sein, den Ausbau eines Wir-Gefühls in Deutschland mit ganzer Kraft voranzubringen.“ (bk)