TV-Tipps des Tages

28.07.2012 – Utöya, Breivik, Rom, Türken, Fasten, Osmanische Reich, Rassismus

TV-Tipps des Tages sind: Norwegen nach dem Massaker – Der 22. Juli 2011 hat sich eingebrannt in das Gedächtnis der Norweger; Rom – Niedergang einer Weltmacht: Das Ende des Weströmischen Reichs. Der Germane Ricimer (Valentinas Klimas) herrscht mit Hilfe von Marionetten-Kaiser über das Weströmische Reich; Fasten auf Italienisch

Die Narben bleiben
Norwegen nach dem Massaker – Der 22. Juli 2011 hat sich eingebrannt in das Gedächtnis der Norweger. An diesem Tag schockierte eine unfassbare Tat die Menschen in dem skandinavischen Land, das so sehr für Freiheit und Toleranz steht.

Anders Behring Breivik, der sich als Verteidiger Norwegens und Europas im Kampf gegen Islam und Multikulturalismus sieht, tötete in einem Jugendlager auf der kleinen Fjordinsel Utöya 69 junge unschuldige Menschen und verletzte viele weitere schwer. Zuvor hatte er im Osloer Regierungsviertel mit einer Autobombe acht Menschen umgebracht.

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Breivik wird festgenommen, er gesteht die Taten, plädiert aber auf nicht schuldig.

Ihm droht eine Haftstrafe von 21 Jahren, die anschließend verlängert werden kann. Oder er wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.Seit Mitte April 2012 läuft der Prozess, der viele Wunden bei Opfern und Angehörigen wieder aufreißt. Es gibt schockierende Zeugenaussagen über die Morde. Aber es gibt auch die Fernsehbilder des eiskalt lächelnden Breivik aus dem Gericht. Bühne für einen Massenmörder? Der Prozess wird zum internationalen Medienereignis ? dabei erhoffen sich die meisten Norweger ein hartes, aber faires Urteil.

Am 22. Juli 2012, dem ersten Jahrestag der Morde, gedenkt Norwegen der Opfer mit einem Staatsakt. 07:30-08:15 • PHOENIX

Rom – Niedergang einer Weltmacht (2/2)
Dokumentarfilm – Eines der Fundamente, auf denen das moderne Europa fußt, ist zweifellos das Römische Reich der Antike. Zu seiner Blütezeit im zweiten Jahrhundert nach Christus umfasst es den gesamten Mittelmeerraum, Westeuropa, Ägypten und sogar das Zweistromland. Doch seine Größe wird zur Schwäche. Sind doch zahllose Kriege nötig, um die endlos langen Grenzen zu sichern. Das Militär wird zum Machtfaktor.

Der zweite Teil des Dokumentarfilms schildert die letzten Jahrzehnte des Weströmischen Reiches, das mit der Absetzung des letzten Kaisers durch einen germanischen Heerführer eine historische Zäsur erlebt.

Im fünften Jahrhundert nach Christus hat das Römische Reich nach langer Blütezeit eine noch längere Periode des langsamen Niedergangs hinter sich. Seit Jahrzehnten ist es in ein Weströmisches und ein Oströmisches Reich geteilt. Ein Kaiser residiert in Rom, dem alten Zentrum des Reichs. Ein zweiter Kaiser herrscht in Konstantinopel. Sein Reich wird noch fast ein Jahrtausend bestehen, bis die Türken im 15. Jahrhundert Konstantinopel erobern.

Im letzten Jahrhundert der Existenz des Weströmischen Reiches leben die Feinde von einst mitten im Reich. Rom hat die Germanen als Söldner angeworben, weil es seine Grenzen nicht mehr allein verteidigen kann. Bezahlt werden sie mit Ackerland, dem wertvollsten Schatz Roms. Aber die Germanen leben als Fremde unter Römern. Romanisiert werden sie nicht.

Viele Germanen bekleiden hohe Positionen im Heer und in der Zivilverwaltung. Nur der Thron bleibt ihnen verwehrt. Weströmischer Kaiser darf nur ein Römer werden. Doch beim Ringen um die Macht kämpfen Germanen längst in vorderster Reihe. So herrscht der Heerführer Ricimer (circa 405 – 472) über Rom durch von ihm abhängige Monarchen. Er setzt Kaiser ein und stürzt sie wieder, wenn sie sich seinem Einfluss entziehen wollen.

Sein Nachfolger Odoaker (circa 433 – 493) ist da weitsichtiger. Er hat erkannt, dass West-Rom in der alten Form keine Zukunft hat. Im Jahre 476 nach Christus zwingt er den letzten Kaiser Romulus Augustus (460 – um 476), Purpurgewand und goldene Krone nach Konstantinopel zu schicken mit der Botschaft, der Westen brauche keinen Kaiser mehr. Odoaker aber setzt sich selbst als König von Italien ein. 20:15-21:40 · arte

Fasten auf Italienisch
Spielfilm – Der italienische Lebemann Dino arbeitet in Nizza als Autohändler und genießt das süße Leben. Doch die Sache hat einen Haken: Tatsächlich lautet Dinos echter Name Mourad Ben Saoud, er ist arabischer, nicht italienischer Abstammung und weder sein Vorgesetzter noch seine Freundin Hélène haben eine Ahnung von seinem Doppelleben, das er gewählt hat, um antiarabischen Ressentiments aus dem Weg zu gehen. Als ihn sein kranker Vater bittet, ihm zuliebe den Ramadan zu begehen, bekommt der „falsche Italiener“ ein Problem.

Dino Fabrizzi arbeitet in Nizza als Autohändler und wirkt wie das personifizierte Stereotyp eines italienischen Gigolos: stets gut gekleidet, fein parfümiert und mit teurem Schmuck ausstaffiert fährt er im fabrikneuen Maserati auf der Arbeit vor. Doch das ist alles nur Fassade: den Wagen hat Dino sich nur geborgt, in Wirklichkeit heißt er Mourad Ben Saoud und ist arabischer und nicht italienischer Abstammung. Weder sein Vorgesetzter noch seine Freundin Hélène wissen von diesem Doppelleben, das Mourad vor Jahren gewählt hatte, um antiarabischen Ressentiments aus dem Weg zu gehen. Als Mourad fand er nur schlecht bezahlte Arbeit und kaum eine Wohnung. Als Dino war das alles plötzlich kein Problem mehr. So wurde die Notlüge für Mourad bald zur neuen Identität. Bis auf seine Schwester weiß Mourads Familie nichts von dem Schwindel – Vater und Mutter leben in Marseille und glauben, ihr Sohn würde in Italien arbeiten.

Doch dann wird Mourads Vater krank und bittet seinen Sohn, ihm zuliebe den Ramadan zu begehen. Mourad, der kein praktizierender Muslim ist, willigt ein. Er ahnt nicht, wie schwer es sein wird, wochenlang regelmäßig zu beten, tagsüber auf Essen und Trinken zu verzichten und zugleich die Rolle als lebenslustiger Gigolo zu spielen. Bald ist der einst souveräne Geschäftsmann ein Nervenbündel.

Hintergrundinformationen:
Mit „Fasten auf Italienisch“ gelang Regisseur Olivier Baroux eine amüsante Komödie, die mit hintersinnigem Witz den ganz alltäglichen Rassismus thematisiert. Als „falscher Italiener“, der zwischen drei kulturellen Identitäten steht, überzeugt Kad Merad, der mit Filmen wie „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, „Der kleine Nick“ und dem Kassenhit „Willkommen bei den Sch’tis“ in Frankreich zum Star wurde. Merad und Regisseur Baroux arbeiten seit 1992 gemeinsam als Komikerduo „Kad et Olivier“ in Radio und Fernsehen. Den durchaus realistischen Ausgangspunkt ihres Films, der an diesem Abend als deutsche Erstausstrahlung zu sehen ist, betont auch Hauptdarsteller Merad, selbst Sohn einer Französin und eines Algeriers: „Mein Vater heißt Mohamed, aber jeder kannte ihn als Rémi. Das gefiel ihm, damit vermied er es, dass die anderen über seine Herkunft nachdachten, und hatte im Berufsleben seine Ruhe. Aber ich wollte dieses Schema nicht wiederholen und blieb Kaddour, wenn auch unter der Abkürzung Kad. … (Aber unser Film) stützt sich auf die Realität. Die französischen Pizzerias werden von vielen Mourads betrieben, die sich Dino nennen.“

Was man nicht alles aus Liebe macht! Dino zum Beispiel begeht seinem kranken Vater zuliebe den Ramadan. Und das heißt in Olivier Baroux‘ warmherziger Komödie „Fasten auf Italienisch“ dass das Leben des französisch-arabischen Einwanderersohns bald Kopf steht. Denn Dino, gespielt von dem französischen Star Kad Merad, hat sich seinen Arbeitskollegen und seiner Lebenspartnerin gegenüber als Italiener ausgegeben. Nun versucht er, diese Lebenslüge aufrecht zu erhalten – während er einen Monat lang fastet und betet und niemand etwas davon mitbekommen darf. Auch in der französischen Komödie „Kann das Liebe sein?“ sorgt die Liebe für kuriose Verwicklungen: Ein Kontrollfetischist verliebt sich in eine widerspenstige Schöne – und engagiert einen neurotischen Privatdetektiv, den er auf seine Flamme ansetzt. In Veit Helmers „Absurdistan“ ist der Titel dann Programm. Die poetische BR-Koproduktion erzählt mit liebenswert-skurrilem Humor von zwei jungen Liebenden in einem osteuropäischen Dorf, die von Kindheit an einander versprochen sind. Vor ihrer ersten Liebesnacht müssen sie nach alter Sitte ein rituelles Bad nehmen – und ausgerechnet jetzt versiegt der Dorfbrunnen.

Während das Paar in „Absurdistan“ Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um einander nahezukommen, sind sich die ehemaligen Liebenden in Antoine de Caune’s schräger Screwball-Komödie „Wir verstehen uns wunderbar“ zunächst spinnefeind. Aber natürlich können auch sie nicht voneinander lassen – und entfesseln dabei einen furiosen Geschlechterkampf, der mit pointierten Wortgefechten ausgetragen wird. Zum Abschluss der langen Filmnacht „Alles aus Liebe“ stehen die romantischen Verstrickungen dreier höchst unterschiedlicher Frauen im Zentrum – charmant, humorvoll und „very britisch“ erzählt in dem Episodenfilm „Liebe zwischen den Zeilen“. 20:15-21:50 • BR