Mely Kıyak war Thilo Sarrazin in einem ihrer Kolumnen in der Frankfurter Rundschau persönlich zu nahe getreten. Das löste eine Welle der Entrüstung aus. Kıyak sah das ein und bedauerte öffentlich, dass sie unwissentlich auf eine körperliche Beeinträchtigung von Sarrazin hingewiesen hat. Die Frankfurter Rundschau reagierte ebenfalls und nahm den Text von ihrer Website. Doch die Welle wurde größer und größer und schaffte es sogar groß in die Bild-Zeitung: „Diese Journalistin muss sich bei Sarrazin entschuldigen“, lautete die Schlagzeile.
Für Çiçek Bacik, Sprecherin vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB), ist klar, „wo der Schuh drückt“, wenn man sich die „Ausdrucksweise der Kritik“ näher betrachtet. Auf der anderen Seite habe sich bis heute niemand für die unzähligen rassistischen Beleidigungen entschuldigt, „die unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ungestört verbreitet werden. Wer darf was, wann sagen? Wer genießt die schützende Hand der kulturellen Hegemonie und wer nicht? Diese Fragen müssen wir uns stellen“, so Bacik. Hinter dieser Einschüchterungskampagne stecke System.
Und damit hat sie nicht unrecht. Es ist bereits Regel, dass Autoren, die gegen rechte Hetze anschreiben, mit Hunderten und Tausenden Leserbriefen beleidigt, beschimpft und offen bedroht werden. Jeder, der es wagt, einen der berühmten Rechtspopulisten anzugreifen, bekommt puren Hass zu lesen und zu spüren. Kurz nach Veröffentlichung eines solchen Artikels, sind Hassmails und Drohbriefe vorprogrammiert.
Das System ist einfach gestrickt. Rechte Internetblogs liefern in Hetzschriften die Vorlage und rufen in Foren und Kommentarseiten dazu auf, dem „Gutmenschen“ mal gehörig die Meinung zu sagen. Private Wohnanschrift, E-Mail, Telefonnummer und/oder die Redaktionsmail werden als Dienstleistung gleich mitgeliefert, um es der eigenen Gefolgschaft so einfach wie möglich zu machen. Vorformulierte Schreiben sind ebenso keine Seltenheit. Bemerkenswert daran ist – Daniel Bax formuliert es zutreffend – wie egal Meinungsfreiheit wird, die diese Hetzer sonst für sich beanspruchen. Einzig das Ziel zählt: unliebsame Stimmen zum Schweigen bringen.
Um dem entgegenzuwirken, starten das KulturForum zusammen mit zahlreichen Medienvertretern und Künstlern eine Solidaritätskampagne für Mely Kıyak und „verurteilen die rassistischen Kommentare und Aufrufe der Bild-Zeitung und rechtsextremer Internetforen, allen voran Politically Incorrect (PI)“. Das Berliner Ballhaus Naunynstraße und die Initiative Fans & Friends of Mely Kıyak veranstalten am 8. Juni 2012 ab 20 Uhr einen Abend „LIEBE MELY KIYAK… – Ein Abend für unsere Lieblingskolumnistin: Wider die Hetzkampagne!“ mit Lesungen und Diskussion.
Der TBB unterstützt die Solidaritätskampagne ebenfalls und ruft „alle rassismuskritischen Menschen in Berlin dazu auf, an diesem Abend teilzunehmen“. Diesem Aufruf schließen wir uns, die MiGAZIN Redaktion, an – für alle Mely Kıyaks. (red)