Vertrauensbildende Maßnahmen

Was Muslime tun müssen, um das Misstrauen zu brechen

Warum gibt es Vorurteile gegen Muslime und den Islam? Warum misstrauen viele Menschen den Muslimen? Und wie können Muslime dem gegensteuern? Für Dr. Sadi Aydın ist die Antwort klar: vertrauensbildende Maßnahmen sind notwendig.

Das Image der Muslime hat sich in der jungen Vergangenheit zunehmend verschlechtert, vor allem seit dem 11. September 2001. Ängste und Vorurteile gegen sie haben immer mehr zugenommen. Zentral ist in diesem Zusammenhang das Misstrauen gegenüber Muslimen. Dieses als Frucht negativer Assoziationen wachsende Phänomen war es, das mich zur Abfassung einer Dissertation inspiriert hat: Meine Forschung von Befragungen bis zur Literaturrecherche hat ergeben, dass das Misstrauen vielfältige Gründe hat, von denen bislang häufig je nach Kontext diese oder jene besonders betont werden.

Allzu leicht entsteht hierbei ein einseitiges Bild der Verantwortung, ein Fehler, den es zu vermeiden gilt. Denn die Ursachen des Misstrauens liegen nicht nur in Problemfeldern des muslimischen Bereichs. Auf der einen Seite stehen freilich sowohl die Missstände in Teilen der islamischen Welt insgesamt, wie Mängel bei den Menschenrechten und eine unzureichende Stellung der Frau als auch die Defizite, die sich bei Muslimen in Deutschland feststellen lassen. Zu diesen Defiziten gehört beispielsweise – trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren – ein im Durchschnitt niedriges Bildungsniveau, eine geringe Quote an Engagement für die Gesamtgesellschaft, so etwa in der Freiwilligen Feuerwehr oder bei der Obdachlosenhilfe, und Versäumnisse bei der Aufklärungsarbeit über den Islam und das muslimische Leben, insbesondere mit Blick auf konfliktreiche Themen.

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Demgegenüber fußt aber eine Reihe von Motiven für das Misstrauen gegenüber Muslimen auf der genuin nichtmuslimischen Seite: Beispiele sind ein durchschnittlich geringes sowie häufig fehlerhaftes Wissen über den Islam, historisch begründete Ressentiments gegenüber den Muslimen und die insgesamt relativ niedrige Quote persönlicher Kontakte zu ihnen. Die hier genannten Gründe sind freilich nur einige der mannigfaltigen Ursachen auf beiden Seiten.

Die Frage nach den Möglichkeiten zum Abbau, oder – realistischer – zur Reduktion des Misstrauens gegenüber Muslimen führt zur Beschäftigung mit dem Begriff „Vertrauen“, dem entscheidender Stellenwert zukommt: Die grundlegende Einsicht besteht darin, dass es des Aufbaus von Vertrauen bedarf, um dem Misstrauen entgegenzuwirken. Daraus destilliert sich die zentrale These: Muslime mögen vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft ergreifen und vertiefen. Dabei umfasst die Bezeichnung „Muslime“ nicht nur religiöse Personen, sondern ganz allgemein alle offiziellen Angehörigen des Islam unabhängig von Säkularisationsgrad, Konfession und Nationalität.

Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Befragung mit der Mehrheitsbevölkerung ist deren geringes Sozialvertrauen zu den Muslimen: circa 77 Prozent vertrauen dem muslimischen Bevölkerungsteil wenig oder kaum. Das bedeutet, dass bei fast vier von fünf Deutschen das Vertrauen gegenüber dieser Gruppe als gering bis nicht vorhanden einzustufen ist. Der einzig tröstliche Befund aus den direkten Vertrauensfragen ist es, dass wieder circa vier von fünf Deutschen den ihnen persönlich bekannten Muslimen Vertrauen entgegenbringen. Meist ist darunter ein hinreichendes, aber längst kein volles Vertrauen, wie es zwischen Familienangehörigen typisch ist, zu verstehen.

Interessanterweise ergab die mit türkischen Muslimen durchgeführte Befragung, dass die allermeisten von ihnen der Ansicht sind, die Muslime bildeten wenig Vertrauen bei der Mehrheitsbevölkerung. Das bedeutet freilich nicht, dass sie sich selbst als wenig vertrauenswürdig einstuften, sondern gibt ihre Einschätzung zur deutschen Mehrheitsposition wieder. Für die zu geringe Vertrauensbildung machen sie auch Versäumnisse auf muslimischer Seite verantwortlich.

In Stichworten lassen sich ihre Inhalte etwa wie folgt zusammenfassen: Aufklärungsarbeit vor allem über vorurteilsbehaftete Themen, Transparenz in verschiedenen Bereichen, Engagement gegen Extremismus, vielseitige gesellschaftliche Öffnung und interkultureller, interreligiöser sowie nachbarschaftlicher Dialog als Beiträge zu einem friedlich-harmonischen Zusammenleben, Bemühungen um bessere Integration mit derselben Zielsetzung, bedachtes Vorgehen bei Moscheebauprojekten, Heranbildung eines sprachkundigen und vertrauensbildenden muslimischen Führungspersonals, Frauenförderung, integrative Erziehung des Nachwuchses und nicht zuletzt die Verbesserung der Islamkenntnis bei Muslimen selbst, idealerweise verbunden mit einer richtig verstandenen religiösen Lebensweise.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass trotz der Aktivitäten und Fortschritte der letzten Jahre das Gesamtniveau der muslimischen Vertrauensbildung in Deutschland immer noch weit vom gewünschten Ausmaß entfernt ist. Es wäre ungerecht zu behaupten, die Muslime bildeten gar kein Vertrauen bei der Mehrheitsbevölkerung, doch ist es nicht ausreichend.

Um die Muslime für vertrauensbildende Maßnahmen zu gewinnen, muss man sie motivieren und ihren Blick für diesen Bedarf schärfen. Dies ist aber nur mit einer milden Rhetorik möglich; im Befehlston oder hochnäsig vorgetragene Forderungen sind allenfalls geeignet, eine Abkühlung und Antireaktionen hervorzurufen. Zudem entfällt eine hohe Verantwortung auf Politik und Medien, die Muslime bei dem Anliegen unterstützend zu begleiten, denn die Bildung von sozialem Vertrauen ist ein Prozess enormen Maßstabs, der langer Zeit bedarf und auf dessen Weg vielfältige Hindernisse stehen.

Aufseiten der Muslime in Deutschland ist hier etwa der Mangel an räumlichen oder finanziellen, vor allem aber an human-intellektuellen Ressourcen zu nennen; von nichtmuslimischer Seite wird die Vertrauensbildung zum Beispiel durch Fälle von Diskriminierung behindert. Ohne einflussreiche Fürsprecher kann sie sich durchaus mühsam und für manche Akteure entmutigend gestalten. Daher ist neben der Hilfe durch einheimische Machtträger auch eine vielfältige, geistig-intellektuelle bis finanzielle Unterstützung durch bestimmte islamische Länder sowie durch international bekannte Organisationen wie die OECD und Projekte wie das der UNO namens „Allianz der Zivilisationen“ stärkstens zu wünschen. Aufgrund des türkischen Übergewichts unter den Muslimen in Deutschland ist insbesondere die Türkei imstande, hier einen fruchtbaren Einfluss zu entfalten. Davon wird nicht zuletzt sie selbst profitieren, denn eine Vergrößerung des Sozialvertrauens zum muslimischen Bevölkerungsteil wird bei vielen Menschen erst jene differenzierte Betrachtungsweise erzeugen, die nötig ist, um bei ihnen auch das Image und die Akzeptanz der Muslime in der Welt draußen zu verbessern.