Ganze drei Jahre hatte Herr M. am Schauspielhaus in Berlin verbracht und Stimm-, Bewegungs- und Theoriefächer für Theater Film und Fernsehen erfolgreich studiert, sogar erfolgreicher als viele andere. Doch nun bemühte er sich seit rund zwei Jahren um eine feste Anstellung; doch alles vergeblich.
Zwar wurde er hie und da für kleinere Rollen engagiert; durfte den bösen Migrant, den lustigen Migrant, aber auch den islamistischen Migrant, der unentwegt seine Töchter schlägt und sie ihrer Freiheit beraubt, spielen. Lauter Stereotypen halt. Doch glücklich war Herr M. damit nicht.
Warum vom Epischen Theater und Aristotelischem Drama wissen, wenn man am Ende doch nur nach seinem Aussehen beurteilt wurde und dieses war dunkler als das Durchschnitts-Blass eines Deutsch-Deutschen.
So hielt er sich noch ein weiteres Jahr über Wasser, schwer fiel ihm das schon. Doch das Geld brauchte er, denn der Künstler lebt nicht nur vom Applaus; sein Magen ist ebenso groß wie der von anderen Menschenkindern! Des Nachts blickte er immerzu verzweifelt in seinem kleinen Schlafzimmer, das zugleich auch Wohnbereich war, auf seine weißgetünchte Wand. Dort hing ein buntes Plakat, worauf in großen Lettern ein Gedicht mittig platziert war. Er las es in letzter Zeit öfter als sonst:
„Wir stehen für Vielfalt“, steht an euren großen Türen
Doch einklagen lässt sich nichts vor dem deutschen Gericht
Denn einen Menschen, der fremd ist, wollen sie nicht!
Sollte der Migrant doch unbedingt einen Job wollen
So ist seine Hilfe im Garten und auf Klo erwünscht
Seine Gegenwart am Arbeitstisch allerdings nicht!
So bewirb dich alsbald, mein ausländischer Freund
So nehmen sie dich auf in ihren erlesenen Kreis
Auf dass Du arbeitest zum winzigen Preis!
Doch nach oben, mein Lieber, da kommst Du nicht hin
Egal ob Du Künstler Akademiker oder Gottes Kind bist
Denn einen Menschen, der fremd ist, wollen sie nicht!
Eines Tages suchte man für die Rolle eines farbigen Arztes am kleinsten Stadttheater in Berlin einen jungen Schauspieler. Herr M. hatte also vielleicht die Möglichkeit mal eine ernste, eine intelligente Rolle zu spielen! Er bewarb sich sofort.
Doch er sei zu schwarz für die Rolle, versicherte man ihm lakonisch und schickte ihn wieder nach Hause. Herr M. verzweifelte, aber gab nicht auf.
Am nächsten Tag ging er mit festen Schritten noch mal zum Auswahlverfahren. Sein Gesicht war nun weiß, viel Puder und noch mehr Puder, er stellte sich nunmehr als Herr D. vor, man erkannte ihn nicht. Und siehe da: Er bekam die Rolle und das Gesicht ward wieder dunkler geschminkt.