NSU Umfrage

Vertrauen der Türken in den Sicherheitsdienst und in die Politik ist erschüttert

Das Vertrauen der in Deutschland lebenden Türken in den Sicherheitsdienst und in die Politik ist nach der NSU-Mordserie erschüttert. Zurück in die Türkei wollen sie trotzdem nicht. Sie vertrauen der Gesellschaft. Das ergab eine repräsentative Umfrage.

Das Vertrauen der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland in die Sicherheitsbehörden ist nach Aufdeckung NSU-Mordserie erschüttert. Das Vertrauen in die Gesellschaft insgesamt ist aber weiterhin hoch. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungszentrums Data 4U, die im Auftrag der Hacettepe Universität in Ankara durchgeführt wurde.

So sind 85 Prozent der über 14-jährigen befragten Türkeistämmigen überzeugt, dass die Zwickauer Terroristen staatliche Unterstützung erhalten haben oder vom Staat gedeckt bzw. beschützt wurden. „Das zeigt das Ausmaß des Vertrauensverlustes in den Staat und zeichnet ein dramatisches Bild“, lautet das Fazit der Hacettepe-Forscher. Ursächlich dafür sei die Tatsache, dass die Täter über viele Jahre unbehelligt morden konnten und Verbindungen zu Sicherheitsleuten hatten.

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Politiker versuchen abzulenken
77 Prozent der 1 058 Befragten glauben außerdem, dass die Morde weitergehen werden und 60 Prozent sind überzeugt davon, dass Politiker versuchen werden, von den Morden abzulenken bzw. die Aufklärung zu verhindern. Daher glaubt auch nur jeder dritte Türkeistämmige (35 Prozent) daran, dass deutsche Politiker traurig über die Mordserie sind und sich ernsthaft für die Aufklärung einsetzen. Und die Entschuldigung des Parlaments wurde von über 70 Prozent der Befragten nicht als „Reue“ empfunden.

Download: Die Umfrage wurde von Data 4U im Auftrag des Instituts für Migrations- und Politikforschung der Hacettepe Universität unter der Leitung von Prof. Murat Erdoğan durchgeführt und kann in unter hugo.hacettepe.edu.tr (türkisch) kostenlos heruntergeladen werden.

Bei den Befragten selbst herrscht größtenteils „Trauer“ (rund 74 Prozent). Angstgefühle gaben rund 8 Prozent an, „Wut“ knapp über 12 Prozent. Dennoch bewerten und beurteilen Türkeistämmige die Ereignisse „sachlich und nüchtern“, so das Resümee der Forscher. Denn 78 Prozent aller Befragten rechnen die Mordserie einer kleinen Gruppe von Radikalen zu und nur ein kleiner Teil (2,3 Prozent) macht die Gesamtgesellschaft dafür verantwortlich.

Keine Auswanderungsgedanken
Auf die Frage, ob nach der Aufdeckung der Mordserie Auswanderungsgedanken gehegt werden, gaben lediglich 9,5 Prozent an, dass sie auf jeden Fall zurück in die Türkei wollen, ein ebenso großer Teil ist unentschlossen. Gut 77 Prozent zeigt sich von der Mordserie aber unbeeindruckt. Sie wollen auf jeden Fall weiterhin in Deutschland leben. Sie sehen sich als fester Bestandteil der Gesellschaft und fühlen sich integriert (75 Prozent).

Die Berichterstattung über die Neonazi-Mordserie verfolgen rund 50 Prozent überwiegend oder ausschließlich über türkische Medien. Die andere Hälfte der Befragten gibt an, dass sie überwiegend, ausschließlich deutsche Medien nutzen bzw. auch türkische Medien heranziehen. (bk)