Sprichwörter

Mediale Bilder in den Köpfen – selbstgepflanzt und kräftig gedüngt

Ein türkisches Sprichwort lautet, „adın çıkacağına canın çıksın“ und beutet so viel wie: Ehe dein Name (im negativen Sinne) bekannt wird, stirbst du lieber. Wie wahr!

Kurz nach dem Anschlag in Oslo und waren sich nahezu alle Medien sicher: „Ein islamistischer Terrorakt ist nicht auszuschließen.“ Eine leere Phrase! Denn zu diesem Zeitpunkt konnte man nicht einmal ausschließen, ob die Detonation von Aliens ausgelöst wurde.

Aber nein, es wurde darüber spekuliert, ob es Islamisten gewesen sind. Über andere Täterkreise wurde nicht einmal spekuliert. Das würde ja nicht in das Bild in den Köpfen passen, das die Medien selbst eingepflanzt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kräftig gedüngt haben. Und die Wahrscheinlichkeit – dachten sich wohl die „Experten“ – dass man mit Islamisten einen Treffer landet, ist viel größer. Falsch spekuliert. Denn von den 249 Terroranschlägen im Jahr 2010, die auf europäischem Boden verübt wurden, wurden lediglich drei von islamistischen Terroristen begangen – Quelle: Europol. Dennoch. Wenn es mal schnell gehen muss, zieht man bekannte Schablonen aus der Schublade und berichtet auf Lücke, so wie wenn man keine Zeit hat, sich ordentlich auf eine Prüfung vorzubereiten und das vermeintlich Wichtigste lernt.

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Rund 24 Stunden nach den Anschlägen in Norwegen belegt ein Suchlauf im Internet, wie nahezu die gesamte Medienlandschaft Deutschlands durchgefallen ist. Die Suchphrasen „Islamist“, „Terror“ und „Oslo“ ergaben 2 563 Artikel, die seit dem Anschlag veröffentlicht wurden. Gleich mehrere Suchläufe mit den Begriffen „Christ/christlich/rechtsextrem/Rechts“ in Kombination mit „Terror“ und „Oslo“ hingegen brachten es zusammen gerade einmal auf insgesamt 43 Suchergebnisse. Nicht falsch verstehen! Es geht um die Zahl 2 563, die nachdenklich stimmen sollte und nicht um die 43. Noch einmal: das Ganze 24 Stunden nach dem Anschlag!

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die norwegische Polizei den Täter längst gefasst: ein blonder, rechtsextremer, konservativer, christlicher Islamhasser – blauäugig obendrauf, so wie die hiesigen Medien. Noch peinlicher ist aber, dass eine Reihe „seriöser“ Medien ihre schnellen „nicht auszuschließen“-Berichte, die mit gefährlich aussehenden vollbärtigen Männern geschmückt wurden, mittlerweile wieder gelöscht haben – kommentarlos! Gelesen und gesehen wurden sie ja bereits – zu einem Zeitpunkt, als das Interesse am größten war.

Was wohl gewesen wäre…
Und nun stelle man sich vor, was wohl gewesen wäre, wenn die norwegische Polizei den Täter nicht so schnell oder überhaupt nicht gefasst hätte. Hätte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dann auch verkündet, dass sich aus dem Anschlag in Norwegen für Deutschland keine Veränderung der Sicherheitslage ergibt? Weil es in Deutschland keine Rechtsextremisten oder Christen gibt? Nein, natürlich nicht. In Deutschland gibt es Rechtsextremisten genauso wie Christen und sogar welche, die rechtsextrem und christlich zugleich sind = Gefahr². Nein, natürlich nicht.

Die Reaktion des norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg auf den Terrorakt: „Die Anschläge werden Norwegen verändern. Die Antwort des Landes muss sein: noch mehr Demokratie und Offenheit“.

Der Grund für die nüchterne und sachliche Bewertung Friedrichs liegt allein darin, dass es vollkommen überzogen wäre, aus einem Anschlag eines „fanatisierten Einzeltäters“ – so wie er ihn beschreibt – gleich eine erhöhte Gefahrenlage zu konstruieren. Insofern wäre es auch überzogen gewesen, wenn er ein Antiterrorpaket geschnürt und Gesetzesverschärfungen gefordert hätte – wie nach dem Anschlag auf zwei US-amerikanische Soldaten am Frankfurter Flughafen geschehen. Und überzogen wäre es auch gewesen, wenn er von den christlichen Kirchen und rechtsextremen Gruppierungen eine Distanzierung und Verurteilung der Tat verlangt hätte. Das würde nichts bringen: Zum einen würden sie sich zu Recht unter Generalverdacht gestellt und beleidigt fühlen und zum anderen dürften sie wohl kaum Einfluss darauf haben, dass irgendwann irgendein Geisteskranker nicht doch wieder Amok läuft.

Nein, das zu verhindern, ist primäre Aufgabe des Staates. Ihm obliegt die Sicherheit im Staatsgebiet. Und da steckt Deutschland leider noch tief in den Kinderschuhen. Wie tief, lässt sich anhand einer Antwort – lesen! – des bayerischen Verfassungsschutzes auf eine parlamentarische Anfrage zum Internetportal Politically Incorrect – ein Internetportal, die vergleichbar ist mit Seiten, in denen der Täter häufig gegen den Islam gehetzt hat – entnehmen. Aber immerhin war dem Bayerischen Innenministerium der Name überhaupt ein Begriff. Das CDU-geführte Bundesinnenministerium hatte auf eine ähnliche Anfrage einmal geantwortet, dass noch nicht einmal Erkenntnisse vorliegen.