Türkei vor den Wahlen

Demokratie ade?

Am kommenden Sonntag werden über 50 Millionen Wähler gebeten, sich an die Wahlurnen zu begeben. Nur wenige zweifeln dabei am Kantersieg der seit neun Jahren herrschenden Regierungspartei AKP.

Diesen Sonntag werden die türkischen Wählerinnen und Wähler an die Urnen gebeten. Auch den ausländischen Medien bleibt derweil dieses Ereignis nicht verborgen. So empfehlen die renommierte ZeitschriftThe Economist und die Tageszeitung The New York Times, die Oppositionspartei CHP um Kemal Kılıçdaroğlu zu wählen. Hierdurch erwarten sie eine Stärkung der Demokratie. Doch was sind die Ursachen dieser Wahlempfehlung?

Erdoğan in Personalunion!
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat bereits mehrmals angekündigt – bei der Erzielung der Zweidrittelmehrheit bei den Parlamentwahlen, ein präsidentielles System nach französischem Muster auf den Weg zu bringen. Damit hätte Erdoğan die Möglichkeit, sich endgültig an die Spitze des Staates zu erheben und dies sogar ohne größere „Checks and Balances“ fürchten zu müssen. Denn er hätte als Parteivorsitzender die Mehrheit im Parlament hinter sich, könnte als Präsident einen Großteil der Verfassungsrichter wählen und überdies selbst als ein Teil der Exekutive fungieren.

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Gewaltenteilung
Das Demokratieverständnis fußt jedoch seit jeher auf dem Prinzip der strikten Gewaltenteilung. Hiernach müssen die drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative voneinander getrennt sein, um gegenseitige Kontrolle zu ermöglichen. Denn einen benevolenten Herrscher gibt es nicht und wird es wohl nicht geben; das wussten bereits die klassischen Denker wie Locke und Montesquieu.

Allein die türkische Bevölkerung hat sich längst an den charismatischen Ministerpräsidenten Erdoğan gewöhnt, der die Türkei in der internationalen Politik wieder zu einer bedeutenden Größe geformt hat und zudem erhebliche wirtschaftliche Erfolge feiern konnte. Innenpolitisch fällt die Bilanz der AKP allerdings eher nüchtern aus: der gordische Knoten um die Kurden bleibt weiterhin ungelöst.

Darüber hinaus wird die Türkei ihre Demokratie nur stärken können, wenn allen kulturellen Gruppen in der Gesellschaft die Beteiligung an der Politik gewährt wird. In diesem Sinne würde eine Zweidrittelmehrheit für die AKP – auch um des gesellschaftlichen Zusammenlebens willen – ein unzuträgliches Ergebnis darstellen. Aus diesen Vorüberlegungen darf jedoch keine einseitige Wahlempfehlung abgeleitet werden. Doch eines bleibt gewiss: je mehr Parteien im Parlament vertreten sein werden, desto demokratischer wird die Türkei sein.