Türkische Staatsbürger dürfen für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten ohne Visum in die Niederlande einreisen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Haarlem am 14. Februar 2011 entschieden. Zuvor hatte auch das VG München einem türkischen Staatsbürger erlaubt, ohne Visum und Aufenthaltserlaubnis einreisen zu dürfen.
Kein Visum für Türken
Wie das VG München und mehrere deutsche Gerichte zuvor haben auch die niederländischen Richter ihre Entscheidung auf das im Jahre 1973 in Kraft getretene Zusatzprotokoll des Assoziationsabkommens der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Türkei (ARB) gestützt. Danach sind neue Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs ausgeschlossen. Die Visumpflicht für Türken wurde jedoch zeitlich später eingeführt, was eine „neue Beschränkung“ darstellt und daher unwirksam ist. Dies wurde auch vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) (C 228/06) in dem so genannten „Soysal Urteil“ (C 228/06) so vorgegeben.
Zu dem Rechtsstreit kam es, weil der türkische Geschäftsmann C. Yilmaz vor zwei Jahren am Schiphol Flughafen von den Grenzbeamten an der Einreise gehindert wurde. Er hatte kein Visum und musste wieder in den Flieger zurück in die Türkei einsteigen. Der renommierte Rechtsanwalt Ejder Köse übernahm den Fall und erwirkte nun seine Visafreie einreise.
MiG-Dossier: Rechtsprechung, Einzelheiten, Hintergründe und die Politik der Bundesregierung zur Thematik im MiG-Dossier „Visumsfreiheit für Türken„.
Muss, wird aber nicht
Seine Einschätzung kurz nach dem Richterspruch, dass die Niederlande in die Berufung gehen werde, hat sich zwischenzeitlich bestätigt. Der niederländische Minister für Asyl- und Migrationspolitik, Geerd Leers, hat der türkischen Tageszeitung Türkiye zufolge die Berufung im staatlichen Sender NOS bereits angekündigt.
Das sei kein juristischer, sondern ein politischer Schritt, erklärte Köse. Auf die Frage, ob die Niederlande nach diesem Urteil die visumsfreie Einreise von türkischen Staatsbürgern erlauben müsse, meint er: „Müsste sie erlauben? Ja! Wird sie erlauben? Ich glaube nicht.“
Visum-Entscheidung setzt auch Deutschland unter Druck
Ähnlich ist die Lage derzeit in Deutschland. Bereits mehrere Gerichte haben in jüngster Vergangenheit entschieden, dass Türken für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten visumsfrei einreisen dürfen. Diese Entscheidungen und jede weitere in einem EU-Land setzt die Bundesregierung weiter unter Druck.
Zwar binden nationale Gerichtsentscheidungen grundsätzlich immer nur das jeweilige Land. Doch werden diese Entscheidungen auf das ARB gestützt, die wiederum bindend für EU-Staaten ist. Damit wird mit jeder weiteren Entscheidung zugunsten türkischer Staatsbürger bekräftigt, dass die Verhinderung der visumsfreien Einreise rechtswidrig ist. So wird es auch der Bundesregierung zunehmen schwerfallen, an ihrer bisher vertretenen juristischen Mindermeinung festzuhalten, um die Visapflicht aufrecht zu halten.
Die Grünen und die Linkspartei machen seit der sogenannten Soysal Entscheidung des EuGH Druck auf die Bundesregierung, den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend zu handeln und die Visumspflicht für Türken aufzuheben. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erklärte in Mainz dem Sabah gegenüber, dass die Aufhebung oder die zumindest die Lockerung der Visumpflicht zum Vorteil beider Länder sein werde. (es)