Europäische Union

Visapflicht für Albaner und Bosnier aufgehoben

Bürger aus Albanien und Bosnien-Herzegowina mit einem biometrischen Pass können ab Dezember 2010 ohne Visum in fast alle Länder der Europäischen Union einreisen. Dies beschlossen die EU-Innenminister gestern in Brüssel.

Von einem „wirklich historischen Tag“ und einem „sehr wichtigen politischen Signal“ für beide Balkanstaaten sprach EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström gestern nach dem Beschluss der EU-Innenminister in Brüssel. Erfreut zeigte sich auch der bosnische Präsident Haris Silajdzic: „Die Menschen hier werden nun viel über europäische Standards lernen, das kann unser Land am Ende in die EU führen.“

Die neue Reisefreiheit gilt aber nicht vorbehaltslos. Die Reiseerleichterung wurde von den EU-Innenministern unter der Bedingung erteilt, dass das Asylrecht nicht missbraucht wird. Aufgrund schlechter Erfahrungen aus den anderen Balkanländern, deren Visumpflicht die EU vor einem Jahr aufgehoben hatte, habe man sich zu diesem Schritt entschlossen. Viele Reisende hätten ungerechtfertigt Asylanträge gestellt, weswegen auch Innenminister Thomas de Maiziere nur mit Bedenken zugestimmt habe. In den vergangenen drei Monaten sei die Zahl von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien in Deutschland um 400 Prozent auf knapp 1000 gestiegen.

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Nun liege es an Albanien und Bosnien-Herzegowina, erklärte Malmström. Die Regierungen der beiden Länder haben sich verpflichtet, ihre Bürger vor einem Visa-Missbrauch zu warnen. Die Visumfreiheit ermöglicht nur einen Aufenthalt von 90 Tagen pro Halbjahr in der Schengen-Zone. Kommt es dennoch zu Auswanderungsströmen in einen EU-Mitgliedsstaat, kann dieser die Suspendierung der Visa-Freiheit beantragen. Darüber entscheidet dann der Rat der Innenminister.

Ziel der Reiseerleichterung sei es, den Staaten einen Anreiz zu geben, den notwendigen Reformprozess für eine Mitgliedschaft in der EU voranzutreiben. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Bisher haben noch nicht einmal die Beitrittsverhandlungen begonnen. Dennoch hoffen Bosnien und Albanien auf eine Aufnahme in den kommenden zehn Jahren.

Weniger optimistisch kann Kosovo in die Zukunft blicken. Die positiven Auswirkungen der gestrigen Entscheidung würden von der „noch weiter verstärkten Isolierung“ des Kosovo überschattet, erklärte Ulrike Lunacek (Grüne), Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments. Sie warnte: „Kosovo ist das einzige Land der Region, für das die EU-Visa-Regeln aufrecht bleiben. Deswegen fordere ich die EU-Kommission auf, nun schleunigst den Visa-Dialog mit dem Kosovo zu beginnen und so schnell als möglich eine Road-Map zur Visa-Liberalisierung vorzulegen.“

Auch die Sozialdemokraten im EU-Parlament stellten klar, dass die Bürger aus dem Kosovo nicht auf Dauer von der Reiseerleichterung ausgeschlossen werden dürften. „Eine solche Ungleichbehandlung reißt höchstens neue Gräben auf und verschärft Diskriminierungen. Das Kosovo darf den Anschluss an die Entwicklung der anderen Länder in der Region nicht verlieren“, warnten Birgit Sippel, SPD-Europaabgeordnete und Mitglied im Innenausschuss, und Jutta Steinruck (SPD), stellvertretendes Mitglied der Balkandelegation.

Derartige Befürchtungen sind nicht neu. Bereits Anfang 2010 hatten Kritiker bemängelt, dass die Aufhebung der Visa-Pflicht nur für bestimmte Länder eine Ungleichbehandlung in der Region bedeuten würde. Nach der gestrigen Entscheidung bleibt Kosovo der letzte Teil des ehemaligen Jugoslawien, der nicht von der Visa-Freiheit profitiert. (bk)