Bundesverwaltungsgericht

Sprachtest vor dem Ehegattennachzug im Einklang mit Grundgesetz und Europarecht

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern entschieden, dass das Erfordernis einfacher Deutschkenntnisse beim Ehegattennachzug im Einklang mit Grundgesetz und Europarecht ist. Der Klägerin sei es zumutbar, Deutsch zu lernen oder das Familienleben im Ausland fortzuführen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich gestern (BVerwG 1 C 8.09 – 30. März 2010) erstmals mit dem 2007 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten Spracherfordernis beim Ehegattennachzug befasst. Danach setzt ein Anspruch auf Ehegattennachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden Ausländer voraus, dass der nachziehende Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Diese Regelung verstößt nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weder gegen das Grundgesetz noch gegen Gemeinschaftsrecht.

Familie mit fünf Kindern
Die Kläger, eine türkische Staatsangehörige und ihre fünf – zwischen 1994 und 2006 geborenen – Kinder, begehren die Erteilung von Visa zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem türkischen Ehemann und Vater. Dieser lebt seit 1998 in Deutschland, zunächst als Asylbewerber und von 2001 bis 2006 als Ehemann einer deutschen Staatsangehörigen. Inzwischen ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

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Nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau heiratete er im Dezember 2006 die Mutter seiner Kinder. In den Jahren zuvor besuchte er seine Familie regelmäßig in der Türkei. Im Juli 2007 beantragten die Kläger die Erteilung von Visa. Diese Anträge lehnte die Deutsche Botschaft in Ankara 2008 ab. Die hiergegen erhobenen Klagen hatten beim Verwaltungsgericht Berlin keinen Erfolg, weil die Ehefrau – nach eigenen Angaben eine Analphabetin – über keinerlei Deutschkenntnisse verfügt.

Regelung dient der Integration
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt und das Begehren der Klägerin zurückgewiesen. „Ein Anspruch auf Ehegattennachzug setzt voraus, dass der nachziehende Ehegatte mündlich und schriftlich über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Diese Nachzugsvoraussetzung dient der Integration und der Verhinderung von Zwangsehen“, heißt es in der Mittelung des Gerichts.

Die Regelung stehe beim Nachzug zu Drittstaatsangehörigen im Einklang mit der sog. Familienzusammenführungsrichtlinie. Diese ermächtige die Mitgliedstaaten, den Familiennachzug davon abhängig zu machen, dass der Betroffene Integrationsmaßnahmen nachkommt.

„Das Spracherfordernis ist auch mit dem besonderen Schutz zu vereinbaren, den Ehe und Familie nach dem Grundgesetz und nach dem Gemeinschaftsrecht genießen. Art. 6 GG gewährt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt zu einem hier lebenden Familienangehörigen, sondern verpflichtet zu einem schonenden Ausgleich des privaten Interesses an einem ehelichen und familiären Zusammenleben im Bundesgebiet mit gegenläufigen öffentlichen Interessen. Dem wird die gesetzliche Regelung, die ein Zusammenleben im Bundesgebiet regelmäßig nur für einen überschaubaren Zeitraum verhindert, gerecht“, so die Mitteilung aus Leipzig.

Keine Härtefallregelung notwendig
Die Vorschrift sei auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie keine allgemeine Ausnahmeregelung für Härtefälle enthalte. Falls die deutschen Sprachkenntnisse aus nicht zu vertretenden Gründen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht erworben werden könnten und keine zumutbare Möglichkeit bestehe, die Lebensgemeinschaft im Ausland herzustellen, könne der verfassungsrechtlich gebotene Interessenausgleich einfachgesetzlich auf andere Weise herbeigeführt werden. Die Erteilung einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Spracherwerbs sei eine Möglichkeit.

Im vorliegenden Fall führe die Versagung des beantragten Visums nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung, da die Klägerin in der Türkei die geforderten Sprachkenntnisse einschließlich einer vorausgehenden Alphabetisierung in etwa einem Jahr erwerben könnte. Außerdem, so die Richter, ist dem Ehemann und Vater eine Rückkehr in die Türkei zumutbar, wo die Familie auch nach seiner Ausreise ihren Lebensmittelpunkt beibehalten hat.

Keine Ungleichbehandlung
Nach Ansicht der Bundesrichter liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor, soweit Ehegatten bestimmter Drittstaatsangehöriger vom Sprachnachweis befreit sind. Diese Ungleichbehandlung knüpfe an die visumrechtliche Privilegierung des Stammberechtigten an und findet ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass der Bundesrepublik hinsichtlich ihrer auswärtigen Beziehungen zu anderen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zusteht. Dies schließe aufenthaltsrechtliche Privilegierungen von Angehörigen bestimmter Drittstaaten und damit verbundene Erleichterungen beim Ehegattennachzug ein.

Schließlich könne sich die fünffache Mutter auch nicht auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit als Drittstaatsangehörige beim Familiennachzug berufen. „Die assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote für türkische Staatsangehörige greifen hier ebenfalls nicht ein“, so die Leipziger Richter.