Türkische Presse Europa

18.12.2009 – Rechtsextremismus, Imam, Integrationsvertrag

Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten vornehmlich über den Höchstand rechtsextremer Straftaten in Deutschland und dem Modellprojekt zur sprachlichen und landeskundlichen Fortbildung von Imamen. Weitere Themen sind die Vorurteile deutscher Unternehmen gegenüber türkischen Bewerbern, der Integrationsvertrag und das Minarett einer Moschee in Esslingen.

Zahl rechtsextremer Straftaten auf neuem Höchststand
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hat die Politik davor gewarnt, angesichts leerer Staatskassen bei den Maßnahmen gegen den Rechtsextremismus zu sparen. Die Zahl der Straftaten bleibt 2009 nach Einschätzung des BKA auf Rekordniveau. Im vergangenen Jahr war mit mehr als 20 000 Delikten der höchste Wert seit Einführung eines neuen Zählsystems 2001 erreicht worden. Die hohe Zahl der Straftaten nannte Ziercke als erschreckend. Für 2009 rechnet er mit einem ähnlichen Ergebnis. Sorge bereitet ihm zudem die hohe Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen. (SABAH, ZAMAN, MILLIYET)

Modellprojekt zur sprachlichen und landeskundlichen Fortbildung von Imamen
Das Goethe-Institut, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die DITIB haben ein Modellprojekt zur sprachlichen und landeskundlichen Fortbildung von Imamen in Deutschland gestartet. „Imame können als Brückenbauer und Vermittler zwischen Zugewanderten und der Mehrheitsgesellschaft eine wichtige integrationsfördernde Rolle spielen“, betont der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Albert Schmid, anlässlich des Projektstarts in Nürnberg und Köln, den beiden ersten Standorten des Projekts. „Mit den Kursen soll vor allem die Sprachkompetenz der Geistlichen gestärkt werden, die damit auch ein Beispiel für ihre Gemeindemitglieder geben könnten“, so Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts. „Migranten, die sich entscheiden, einen größeren Teil ihres Lebens in Deutschland zu verbringen, sollten spüren, dass sie dazugehören.“ Sadi Arslan, Vorsitzender der DITIB, hebt hervor: „Der hier angebotene Kurs richtet sich an ein Fachpersonal, an Menschen, mit fundiertem theologischem Wissen, an Menschen mit Vorbildfunktion, an Menschen, denen man vertraut.“

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Innerhalb der Projektlaufzeit von drei Jahren werden etwa 130 Imame in neun Kursen an Standorten in ganz Deutschland fortgebildet. Die berufsbegleitenden Kurse umfassen mehr als 500 Stunden Deutsch sowie etwa zwölf Tage interkulturellen und landeskundlichen Unterricht zu Themen wie Staat und plurale Gesellschaft, Alltag in Deutschland, religiöse Vielfalt, Migration, Bildung und Ausbildung, Vereinsarbeit. Ein hoher Praxisbezug der Fortbildung und ein enger Bezug zur jeweiligen Stadt sind durch Besuche und Hospitationen in städtischen Einrichtungen sichergestellt. Das Projekt soll Imame in die Lage versetzen, die spezifischen Bedürfnisse und Probleme von Muslimen bei der Integration in Deutschland zu erkennen, Lösungen anzubieten und bei Bedarf Hilfsangebote zu vermitteln. (TÜRKIYE, MILLIYET, SABAH)

Deutsche Unternehmen begegnen türkische Bewerber mit Vorurteilen
Die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer (TD-IHK) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie haben am Donnerstag eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Wirtschaft durch Berufsausbildung organisiert. Es sei unter anderem bemängelt worden, dass deutsche Unternehmer türkische Bewerber oft mit Vorurteilen begegnen. Es müsse in den Beziehungen Normalität eintreten; so dürften Frauen, die ein Kopftuch tragen nicht permanent ausgeschlossen werden, berichten die ZAMAN und SABAH.

„Zur Sicherung des Wohlstands muss in die Migration investiert werden“
Der Europaabgeordnete Peter Simon (SPD) plädiert für eine bessere Förderung der Bildungssituation von Migranten. Angesichts des demografischen Wandels erwarte er in vierzig Jahren eine andere Zusammensetzung der Gesellschaft. Wolle man den derzeitigen Wohlstand dann beibehalten, müsse man in die Migration investieren. (ZAMAN)

Integrationsvertrag nicht nötig
Für den sogenannten Integrationsvertrag seien die Regelungen in Frankreich ein Modell für Deutschland, berichtet die HÜRRIYET. Die Staatsministerin Maria Böhmer prüfe derzeit den französischen Integrationsvertrag. Dieser enthalte Verpflichtungen, wie etwa der Besuch eines Sprachkurses. Migrantenselbstorganisationen hätten die Wortwahl der Ministerin kritisiert. Die Bezeichnung „Integrationsvertrag“ sei abschreckend und wenig förderlich. Die geplanten Verpflichtungen seien zudem in den Ausländergesetzen vorhanden. Eines Vertrags bedürfe es deshalb nicht.

Schweinsohr an den Islamrat geschickt
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland hat ein Paket mit einem abgeschnittenen Schweineohr erhalten, berichtet die TÜRKIYE. Islamrats-Vorsitzender Ali Kizilkaya zeigte sich besorgt über die Zunahme der Islamfeindlichkeit in Deutschland. In einem beiliegenden Schreiben sei das Ohr als „kostbare Reliquie aller Muslime“ bezeichnet worden.

Esslingen darf ihr Minarett behalten
Das Minarett der Moschee in Esslingen werde nicht abgerissen, berichtet die TÜRKIYE. Die Stadtverwaltung und die Moscheegemeinde hätten einige Änderungen am Minarett beschlossen und somit eine Einigung erzielt. Das Minarett sei 60 cm länger gebaut als im Bebauungsplan genehmigt.