In Obhut

Migrantenkinder doppelt so häufig betroffen

Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund werden im Schnitt mehr als doppelt so oft in Obhut genommen. Die Pflegekinderdienste Mönchengladbach und Hamm bemühen sich deshalb, vermehrt Pflegefamilien mit Zuwanderungsgeschichte zu finden.

Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund werden im Schnitt mehr als doppelt so oft in Obhut genommen. Die Pflegekinderdienste Mönchengladbach und Hamm bemühen sich deshalb, vermehrt Pflegefamilien mit Zuwanderungsgeschichte zu finden, um sie in Krisensituationen bei Pflegefamilien unterubringen, die selbst aus dem gleichen Kulturbereich stammen.

Im Jahr 2008 haben die Jugendämter in Deutschland 32 300 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Der Anteil der in Obhut genommenen nichtdeutschen Kinder und Jugendlichen liegt bei etwa 18 Prozent. Im Vergleich zu dem Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung (8,2 Prozent) ist die Zahl der Inobhutnahmen von ausländischen Kindern und Jugendlichen damit wesentlich höher. Hinzu kommt, dass der Migrationshintergrund eines Kindes in der Statistik unberücksichtigt bleibt, wenn das Kind etwa durch die Optionsregelung zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Kinder mit doppelter Staatsbürgerschaft werden in der Statistik als Deutsche geführt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Anteil der nichtdeutschen Kinder weitaus höher liegt, als es in der amtlichen Statistik dargestellt ist.

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Über die Zahl von muslimischen Pflegeeltern gibt es dagegen keine gesicherten Zahlen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) teilte jedoch mit, dass es nur wenige muslimische Pflegeeltern gibt. Dabei ist zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung im Pflegschaftsverfahren die religiöse Prägung des Kindes zu beachten. Soll ein Kind in Familienpflege gegeben werden, ist eine Übereinstimmung des religiösen Bekenntnisses anzustreben. Das Jugendamt hat als Vormund bei der Unterbringung auf das religiöse Bekenntnis oder die Weltanschauung des Mündels und seiner Familie Rücksicht zu nehmen.

„Mehr Vielfalt“ in der konfessionellen Ausrichtung von Pflegeeltern nötig
Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) geht in einem Rechtsgutachten aus dem Jahre 2007 davon aus, dass sich die Unterbringung eines Mündels, das einer der Glaubensrichtungen des Islams angehört, in einer Pflegefamilie des gleichen Glaubens, mangels vorhandener Pflegefamilien in der Regel als äußerst schwierig gestaltet. Den Mitarbeitern im Pflegedienst sei deshalb zu empfehlen, „durch eine andere Art der Werbung möglicherweise noch „mehr Vielfalt“ in die konfessionelle Ausrichtung von Pflegeeltern in ihrem Zuständigkeitsbereich“ zu bringen.

Das Jugendamt der Stadt Hamm entwickelt in diesem Sinne mit seinen Kooperationspartner “LWL – Heilpädagogisches Kinderheim Hamm” und der Einrichtung Care Der” aus Istanbul ein Projekt, wie sie türkischstämmige Familien für die Aufnahme eines Pflegekindes gewinnen kann. Mit der Unterstützung der türkischen Fachkollegen konnten in Hamm nachweislich geeignete Bewerber gewonnen werden, berichtet das Jugendamt. Auch habe das Projekt dazu beigetragen, zuvor bestehende Berührungsängste mit der Behörde „Jugendamt“ deutlich zu reduzieren. Das Projekt sei ferner ein Beitrag für die Integration von türkischen und türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten “im Sinne einer Übernahme sozialer Verantwortung und sozialem Engagement”.

Rücksicht auf kulturelle Ähnlichkeiten schafft Vertrauen
Auch das Jugendamt der Stadt Mönchengladbach bemüht sich seit einiger Zeit Pflegefamilien mit Zuwanderungsgeschichte zu finden, um entsprechende Kinder dort unterbringen zu können. „Für Kinder, die in einer fremden Familie untergebracht werden, weil sie nicht mehr bei ihren eigenen Eltern leben können, ist es sehr hilfreich, wenn sie etwas Vertrautes vorfinden“, sagt Monika Ferfers vom Jugendamt Mönchengladbach gegenüber dem Onlineportal „Moses Online“. Besonders wenn Kinder mittelfristig untergebracht werden, seien natürlich Pflegeformen vorzuziehen, in denen eine Übersetzung der Kulturen möglich ist.

Auch für die Herkunftseltern sei eine Unterbringung ihres Kindes vertrauenswürdiger, wenn sie mit Erwachsenen zu tun haben, mit denen eine Ähnlichkeit besteht. „Diesen Erwachsenen können die Eltern dann eher ihr Kind anvertrauen, als wenn die Pflegefamilie ganz fremden Kulturen entspricht. Eine Ähnlichkeit der Pflegefamilie mit der Kultur der Ursprungsfamilie ermutigt die Ursprungsfamilie auch zur eigenen Veränderung, damit sie das Kind wieder zurück nehmen können. Damit ist sowohl für das Kind als auch für seine Eltern eine solche passende Unterbringung hilfreich“, erklärt Ferfers.