Türkische Presse Europa

18.09.2009 – Visum, Türkei, Bundestagswahl

Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten heute vornehmlich über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zum Thema Visumspflicht für türkische Staatsangehörige. Weitere Themen sind unter anderem der EU-Beitritt der Türkei, Die Bundestagswahlen und das Scheitern der Bremer Einbürgerungskampagne.

Özdemir: „Wir werden mit keiner Partei koalieren, die den EU-Beitritt der Türkei ablehnt“
Der Grünen-Chef Cem Özdemir habe erklärt, dass sie nach den Bundestagswahlen mit keiner Partei koalieren werden, die den EU-Beitritt der Türkei ablehnt, berichtet die MILLIYET. Die Beitrittsverhandlungen hätten das die Vollmitgliedschaft zum Ziel. Das dürfe nicht in Frage gestellt werden, so Özdemir.

Kizilkaya: „Muslime haben Recht auf islamischen Religionsunterricht“
Der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, Ali Kizilkaya, habe in Hamburg erklärt, dass die muslimischen Eltern ein Recht auf Religionsunterricht hätten. Die Religionsfreiheit sei durch das Grundgesetz geschützt, so Kizilkaya. Der Islamratsvorsitzende habe ferner kritisiert, dass der Staat derzeit darum bemüht sei, ein neues Islamverständnis zu etablieren. Kizilkaya habe ferner eingeräumt, dass die Vielzahl muslimischer Dachverbände kontraproduktiv ist. (ZAMAN, SABAH)

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Dagdelen: „Bundesregierung will Türken weiter mit Visumspflicht diskriminieren“
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) bezeichnete die Visumspflicht für türkische Staatsangehörige als Diskriminierung. Die Visumspflicht sei rechtswidrig, berichte die SABAH und MILLIYET. Die Bundesregierung habe in ihrer aktuellen Antwort einräumen müssen, dass sich aus einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 1984 „ein Indiz“ dafür ergibt, dass der Begriff der Dienstleistungsfreiheit im EU-Kontext bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls 1973 die passive Dienstleistungsfreiheit mit umschloss. Die juristische Argumentation der Bundesregierung, mit der sie eine weitgehende Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit trotz des Soysal-Urteils des Europäischen Gerichtshofs verhindern will, stehe damit immer mehr auf tönernen Füßen. “Die Bundesregierung versucht so das Eingeständnis zu umgehen, dass sie das Urteil nicht umsetzen will“, so Sevim Dağdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Weber habe ausgesprochen, was hinter dem „juristischen Herumgeeiere“ der Bundesregierung steckt: die absurde Vorstellung, dass das Soysal-Urteil ein Beleg für den ‚Beitritt der Türkei zur EU durch die Hintertür’ sei. „Als ‚Retter des christlichen Abendlandes’ fühlt sich die Bundesregierung deshalb auch nicht an Recht und Gesetz gebunden.“ Die Weigerung der Bundesregierung das Soysal-Urteil in Deutschland bescheinige der Bundesregierung kein rechtsstaatliches Verständnis. „Es verstärkt immer mehr den Eindruck, dass die Bundesregierung klischeebedingt die weitgehende Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nicht umsetzt“, so Dagdelen.

Schramma erhält Friedenspreis des Islam-Archivs
Der scheidende Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) erhält den Mohammad-Nafi-Tschelebi Friedenspreis des Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland, berichten die ZAMAN und HÜRRIYET. Schramma habe sich um die Integration von Muslimen in Köln große Verdienste erworben, erklärte die Amina Abdullah Stiftung am Donnerstag in Soest. Gegen den Widerstand extremer Gruppen sei es Schramma gelungen, den Ruf Kölns als eine weltoffene Stadt zu festigen.

Körting: „Wir dürfen uns nicht fremd bleiben“
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat am Iftar-Empfand des Verbands Islamischer Kulturzentren (VIKZ) in Berlin teilgenommen, berichten die SABAH und MILLIYET. Berlin sei eine multikulturelle und multireligiöse Stadt. „Wir dürfen uns nicht fremd bleiben“, habe Körting betont. Die Integrationsministerin Heidi Knake-Werner habe in ihrer Ansprache gesagt, dass der Ramadan die sozialen Beziehungen vertiefe. Der Islam sei in Deutschland nunmehr die zweitgrößte Religion; das dürfe nicht ignoriert werden.

NPD-Politiker beleidigt den türkischstämmigen Fußballspieler Mesut Özil
Der NPD-Pressesprecher Klaus Beier hat in einer Fernsehsendung den Fußball-Nationalspieler Mesut Özil mehrfach beleidigt, berichten die HÜRRIYET und MILLIYET. Beier habe den Werder-Profi in einem Interview mit der RBB anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg unter anderem als „Plaste-Deutschen“ bezeichnet.

Bremer Einbürgerungskampagne gescheitert
Die Einbürgerungskampagne des Landes Bremen sei gescheitert, berichtet die SABAH. Seit April hätten nur 48 Personen einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Grund dafür sei unter anderem, dass die meisten Ausländer nicht auf ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit verzichten wollen. Ferner hätten viele Ausländer schlechte Erfahrungen mit der deutschen Verwaltung.

Türkischstämmige Kandidaten und Stimmpotential von Migranten
31 unabhängige Bewerber mit türkischem Migrationshintergrund kandidieren für den Bundestag, berichtet die HÜRRIYET. Migranten hätten ein Stimmpotential von 1,2 Millionen Stimmen. Wenn man bedenkt, dass in vielen Wahlkreisen 5 bis 10 Tausend Stimmen die Wahl entscheiden, werde deutlich, wie wichtig diese Personengruppe mittlerweile ist.

Mitgliedschaften in Moscheegemeinden
Der Vorsitzende der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), Sadi Arslan, kündigte an, dass die Muslime ähnlich wie bei den Kirchen Mitgliedschaften in den Moscheen beantragen können. Dafür habe man Landesvertretungen gegründet, sagte Arslan der SABAH. Dies sei für den Status einer Religionsgemeinschaft nötig.

Belgien verweigert Zutritt zur Haftanstalt
Die belgische Regierung hat der Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments den Zutritt zur Haftanstalt Jamiloux in Charleroi verweigert. In der Haftanstalt wurde laut Medienberichten am 8. August 2009 ein Türkischstämmiger zu Tode geprügelt. Ein Gutachten habe die Wächter als schuldig empfunden, berichtet die SABAH. Der Kommissionsleiter Zafer Üskül sagte, dass die Haltung der belgischen Regierung diesen Vorwurf verstärke.