So lud CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am vergangenen Dienstag über 120 Migranten nach Berlin ein. Den Ausflug in die CDU-Zentrale zahlte die Parteispitze. Gleich zu beginn wurden „herzliche Grüße“ auch von der Kanzlerin überbracht, von Gemeinsamkeiten gesprochen und im weiteren Verlauf gebeten, die Bundestagswahl am 27. September nicht zu vergessen.
SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hingegen schmust schon länger mit den türkischstämmigen Wählern. Nicht selten stattet er den Redaktionen der türkischsprachigen Zeitungen einen Besuch ab oder ist bei besonderen Anlässen türkischer Verbände anwesend.
Ob SPD oder CDU, man zeigt sich von der besten Seite – so gut es geht. Klar im Vorteil ist dabei die SPD. Einer Umfrage des Berliner Meinungsforschungsinstitut Data 4U würden türkischstämmige Wähler mit einer absoluten Mehrheit von 55,5% der Stimmen die SPD wählen, die Grünen kämen auf 23,3%. Die beiden Unionsparteien CDU/CSU erhielten lediglich 10,1% der Stimmen, die Linke bekäme 9,4% (wir berichteten hier und hier). Eine Umfrage unter Muslimen hatte sogar ergeben, dass CDU, FDP und Linke schon an der an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern; die SPD kommt auf 35,5 Prozent, die Grünen auf 18 Prozent (wir berichteten).
Auch inhaltlich ist hat die SPD einen klaren Vorsprung: Sei es die doppelte Staatsbürgerschaft, der EU-Beitritt der Türkei oder das kommunale Wahlrecht; die SPD punktet, während die CDU nicht mithalten kann. Das Einzige, was den Christdemokraten verbleibt, setzt man aber vorzüglich ein. Man Kratzt an der Glaubwürdigkeit der SPD.
So musste die SPD noch vor wenigen Wochen im Bundestag – entgegen anderslautenden Verlautbarungen – gemeinsam mit der Union sowohl gegen das kommunale Wahlrecht als auch gegen die Abschaffung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht stimmen, weil der Koalitionsvertrag Einigkeit vorschreibt. So schmetterte die Union die Anträge der Grünen und der Linkspartei ab und sorgte gleichzeitig für negative SPD-Schlagzeilen in türkischen Tageszeitungen.
Die Grabenkämpfe, die man täglich in der Süddeutschen, Frankfurter Rundschau, FAZ oder im Tagesspiegel ließt, spielt sich nicht minderwertig auch in der Hürriyet, Sabah, Milliyet, Zaman und Türkiye ab – mit anderen Kernthemen und fernab von den Stammwählern. Die möchte man mit pro-türkischen oder pro-muslimischen Themen nicht irritieren.
Gemeinsamkeiten der CDU mit Türken oder die Öffnung der C-Partei für Muslime auf der einen, das tägliche Integrations-ABC der SPD auf der anderen Seite, sollen möglichst die mitbekommen, die sich davon geschmeichelt fühlen. Der einheimische Wähler könnte Bauchschmerzen bekommen, wenn Politiker aller Couleur in Moscheen, beim Fastenbrechen oder mit Dönermesser in der Hand am Dönerstand abgelichtet werden. Journalisten türkischer Medien werden zu solchen Anlässen gerne eingeladen, die der Deutschen lieber nicht.
Die Europaausgaben türkischer Tageszeitungen werden von MiGAZIN täglich ins Deutsche übersetzt mit dem Ziel, das gegenseitige Verständnis zu fördern und füreinander zu sensibilisieren.
Mit der strikten Trennung von Themen und Präsenz in deutschen und türkischen Medien gelingt das bisweilen sehr gut. Die Tatsache, dass Türken eher türkische Medien konsumieren, wird vorzüglich als Werkzeug eingesetzt, wenn es darum geht, die richtige Zielgruppe anzusprechen. Eine pro-türkische Schlagzeile in türkischen Tageszeitungen oder ein Auftritt in einem der türkischen Sender wird eben nur in der sog. Parallelgesellschaft wahrgenommen. In den einheimischen Medien hingegen zeigt man sich besorgt, wenn Studien belegen, dass Türken türkische Medien konsumieren.